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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7

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Analyse

Seine Reaktionszeit wird zudem

verkürzt, da rund vier Meter vor

ihm der Schalker Goretzka der

scharfen Flanke mit der Hacke

eine andere Richtung gibt. Diese

beiden Argumente sprechen

gegen eine Absicht.

Für eine Absicht spricht hingegen,

dass Demirbay im letzten Moment

den Oberkörper nach rechts, und

damit in die Flugbahn des Balles,

zu neigen scheint (

Foto 4b

). Aber

war dies wirklich eine bewusste

Reaktion, die nach dem Richtungs-

wechsel des Balles in der Kürze der

Zeit möglich ist? Ebenso wie dieser

letzte Aspekt ist die grundsätzliche

Frage nach der Absicht hier kaum

schlüssig zu beantworten. Von

daher ist die getroffene Entschei-

dung des Schiedsrichters, nämlich

das Spiel laufen zu lassen, zu

akzeptieren.

***

Zwei Spieltage danach gab es im

Spiel

Borussia Dortmund gegen

Hertha BSC

eine ähnlich knifflige

Szene zu beurteilen.

Nach einer Flanke in den Hertha-

Strafraum springen der Dortmun-

der Shinji Kagawa und Abwehrspie-

ler Genki Haraguchi hoch. An den

Ball kommt Kagawa, der die Arme

im Sprung anhebt (den linken vor

dem Gesicht) und dabei vom Ball

leicht am Unterarm berührt wird.

Sicher ein unabsichtliches Hand-

spiel, aber die Berliner wollen das

abgepfiffen haben, was die unmit-

telbar folgende Szene aus Sicht

von Hertha BSC noch ärgerlicher

erscheinen lässt.

Den aufspringenden Ball schießt

Kagawa nämlich volley aufs Tor

und trifft seinen weniger als zwei

Meter entfernten Gegenspieler

am Arm (

Foto 5

). Die Analyse der

TV-Bilder zeigt, dass Haraguchi

zwar beide Oberarme eng am

Körper hat, der linke Arm aber im

Ellenbogengelenk rechtwinklig

gebeugt ist und so in die Flugbahn

des Balles ragt.

Ob damit die notwendige Vor-

aussetzung für ein strafbares

Handspiel gegeben ist, nämlich

dass Haraguchi absichtlich den

Arm so hält, um den Ball aufzu-

halten, oder ob es nicht doch

eine fußballtypische (und damit

natürliche) Armhaltung ist, um das

Gleichgewicht zu halten, lässt sich

nur sehr schwer entscheiden. Denn

der Blick in den Kopf des „Täters“

ist ja nicht möglich.

Für uns ist dieses Handspiel eher

nicht strafstoßwürdig, dennoch

erscheint die Entscheidung des

Schiedsrichters auf Strafstoß auf-

grund der bestehenden Restzweifel

akzeptabel.

***

Dass nicht mehr jede „Notbremse“

eine Rote Karte nach sich ziehen

muss, ist seit Beginn dieser Saison

Teil des Regelwerks. Es liegt nun an

den Schiedsrichtern festzustellen,

ob bei dem Foul der Ball vom Sün-

der noch zu spielen war oder nicht,

um die neue Regel-Lage einmal

etwas vereinfacht auszudrücken.

Zwei Beispiele möchten wir dafür

anführen. Im Zweitligaspiel

1. FC Nürnberg gegen Hannover 96

Schwierig zu erkennen, schwierig zu entscheiden: Zieht

Kerem Demirbay (blaues Trikot) seinen Arm zurück,…

Foto 4a

Foto 4b

…oder hat der Hoffenheimer sich Richtung Ball „gelehnt“,

um die Flanke regelwidrig abzufangen?

Foto 5

Kurze Entfernung, Oberarme angelegt, aber der Unterarm

ist abgewinkelt: normale Fußballer-Haltung oder absichtli-

ches Handspiel?

Foto 6a

Der Nürnberger Miso Brecko (dunkles Trikot) versucht, den

Ball zu spielen, trifft aber dann seinen Gegenspieler am Fuß.

Foto 6b

Im ersten Moment wollte Schiedsrichter Martin Jöllenbeck

zur Roten Karte greifen.