

S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7
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(10. Spieltag)
liefern sich nach
einem Pass in den Nürnberger
Strafraum der Abwehrspieler Miso
Brecko und der Hannoveraner Felix
Klaus ein Laufduell. Dabei haben
sie nur noch den Nürnberger
Torwart vor sich.
Während Klaus den Ball spielt,
verfehlt ihn Brecko knapp (
Foto 6a
),
trifft stattdessen seinen Gegen-
spieler am Fuß und bringt Klaus
so zu Fall. Schiedsrichter Martin
Jöllenbeck, der eine ausgezeich-
nete Sicht auf das Geschehen hat,
pfeift sofort und entscheidet auf
Strafstoß. Er nestelt dann an seiner
hinteren Hosentasche und will
Brecko offensichtlich vom Platz
stellen - ein seit vielen Jahren
üblicher Ablauf bei der Vereitelung
einer klaren Torchance (
Foto 6b
).
Aber Jöllenbeck schaltet diese
Automatik im letzten Moment zum
Glück ab. Er hat das Geschehen vor
dem geistigen Auge noch einmal
ablaufen lassen, wie er später
berichtet, und dabei festgestellt,
dass der Ball für Brecko noch
spielbar war. Die Konsequenz: Der
Hannoveraner erhält lediglich die
Gelbe Karte.
***
Eine - vor allem für den Laien -
nicht unähnliche Situation gab es
im Bundesligaspiel
SC Freiburg
gegen den VfL Wolfsburg
(10. Spieltag)
. Der Wolfsburger
Daniel Didavi ist im Freiburger
Strafraum freigespielt worden und
hat in fast zentraler Position nur
noch den gegnerischen Torhüter
vor sich – keine Frage, das ist eine
klare Torchance (
Foto 7a
).
Verfolgt wird Didavi von Chris-
tian Günter, der ihn fast einholt.
Aber eben nur fast. Günter greift
deshalb von hinten mit der rechten
Hand nach Didavis Schulter, hält
ihn kurz fest (
Foto 7b
) und bringt
den Wolfsburger dann durch Auf-
laufen zu Fall. Hätte dafür nicht
auch „Gelb“ gereicht? Der Blick in
den entsprechenden neuen Text
der Regel 12 bringt die Gewissheit,
dass Schiedsrichter Felix Brych
mit „Rot“ für Günter richtig lag. Es
heißt dort zwar, dass ein Spieler
jetzt nur noch verwarnt wird, wenn
er „im eigenen Strafraum eine
offensichtliche Torchance vereitelt
und der Schiedsrichter einen
Strafstoß gibt“.
Diese Möglichkeit der geringeren
„Persönlichen Strafe“ ist allerdings
durch drei Punkte eingeschränkt.
Die auf diesen Fall anzuwendende
Formulierung lautet: „… es sei
denn, der fehlbare Spieler ver-
suchte nicht, den Ball zu spielen,
oder hatte keine Möglichkeit, den
Ball zu spielen“. Und die hatte Gün-
ter nicht – „Rot“ war die logische
Folge.
***
Noch einmal kurz zurück zum Hand-
spiel. Das entscheidende Kriterium
dafür, ob der Schiedsrichter pfeifen
muss oder nicht, ist die Absicht.
Auch wenn es manch einer denken
mag – bei der Beurteilung von Fouls
spielt sie keine Rolle. Der nach ei-
nem Foulpfiff oft gehörte und auch
gern benutzte Ausruf: „Das war
doch keine Absicht, Schiri!“ ist also
ein Standard, der auf mangelhafter
Regelkenntnis beruht.
Ein Beispiel dazu vom 11. Spieltag
der 2. Bundesliga: Im Spiel
Arminia
Bielefeld gegen den SV Sandhau-
sen
springt der Sandhäuser Daniel
Gordon nach einer weiten Flanke
mit einer dynamischen Rückwärts-
bewegung in seinem Strafraum
zum Ball. Hinter ihm lauern sein
Mitspieler Philipp Klingmann und
der Bielefelder Angreifer Fabian
Klos (
Foto 8a
). Da Gordon den
Ball mit dem Kopf verfehlt, kann
Klos ihn mit der Brust annehmen.
Allerdings bekommt er den Ball
nicht unter Kontrolle, da der nach
seinem Kopfballversuch nach
hinten gestürzte Gordon ihm
zeitgleich mit Schwung in die Beine
fällt (
Foto 8b
). Deshalb kommt der
Bielefelder im Strafraum des SV
Sandhausen zu Fall und reklamiert
sofort ein Foul. Der notwendige
Strafstoßpfiff des Schiedsrichters
blieb leider aus.
Wir merken uns: Egal, wie unge-
schickt, ungewollt, unglücklich und
unabsichtlich ein Foul geschieht –
es ist immer strafbar!
Foto 7a
Foto 7b
Christian Günter verfolgt den frei gespielten Daniel Didavi
(rechts), dessen klare Torchance…
…er aber nur durch einen Griff an die Schulter seines Gegen-
spielers vereiteln kann.
Abwehrspieler Daniel Gordon verfehlt den Ball mit dem Kopf,
fällt dann aber…
Foto 8a
…dem Bielefelder Angreifer Klos vor die Füße und bringt ihn
so zu Fall.
Foto 8b