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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7

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??

Fair Play passé –

nach 19 Sekunden

Ach so, zwischendurch zur regel-

technisch richtigen Entschei-

dung: Nach Werners Unsportlich-

keit hätte es den indirekten

Freistoß für Schalke 04 und die

Gelbe Karte für den Rasen-Baller

geben müssen. Die Strafstoß-

Entscheidung ist demzufolge als

schwerer Schiedsrichter-Fehler

zu werten. Und diese Situation

wäre eine dankbare Szene für

den Video-Assistenten gewesen,

der zurzeit schon während des

Bundesliga-Spielbetriebs in

ausgewählten Begegnungen

getestet und bei Erfolg auch

eingeführt wird.

Frag‘ auf jeden Fall den Sünder

Punkt 2: Der Pfiff ist raus, Straf-

stoß. Der Unmut ist groß. Hätte

Bastian Dankert jetzt auf dem

Feld anders reagieren können?

Antwort: Ja, sogar müssen. In

einer solchen Ausnahme-Situa-

tion, egal in welcher Klasse, bitte

ich als Schiedsrichter den Spieler

Werner zu mir und frage ihn, für

alle Beteiligten deutlich sichtbar,

ob sein Abgang auf den Rasen

wirklich ein Foul war oder nicht.

Wenn der Akteur dann, wahrheits-

widrig, die falsche Wahrnehmung

des Unparteiischen bestätigt,

dann ist das leider so. Aber das

muss der Referee nach Spiel-

schluss dann auch laut und deut-

lich kommunizieren. Am besten in

jede Kamera, jedes Mikrofon und

jeden Notizblock. Wir sind eine

Mediengesellschaft.

Ein schlechtes Vorbild

Denn: Ja, der Schiedsrichter hat

einen Fehler gemacht. Aber er ist

nicht der Verursacher. Der wahre

Sünder ist jener, der unsportlich

täuscht. Und genau der muss

genannt und als schlechtes Vor-

bild angeprangert werden. Immer

wieder. Timo Werner verpasst

es leider auf dem Platz, ein

Zeichen für Fair Play zu setzen.

Ganz im Gegenteil versucht er

zunächst, die Öffentlichkeit mit

originellen Märchen zu überzeu-

gen, was nicht verfängt – höchs-

tens bei jenen, denen Fakten egal

sind. Siehe oben: Glauben und

Emotionen.

Erstliga-Unparteiische, seit 2012

im Fußball-Oberhaus im Einsatz,

seit 2014 zudem international,

steht eigentlich nicht schlecht,

hat aufgrund seines guten Lauf-

vermögens eine gute Perspektive.

Insofern wird sich der studierte

Sportwissenschaftler von allen

Beteiligten am meisten ärgern,

dass ihm Timo Werners Betrug

entgeht.

Ein Fall für den Video-Assistenten

FIFA-Assistent Markus Häcker (42),

in dieser Saison schon zweimal

in der Champions League aktiv,

steht an der Seite etwa 50 Meter

entfernt und hat daher eine deut-

lich schlechtere Perspektive. Der

gelernte Ingenieur, seit sechs Jah-

ren international im Einsatz, kann

Dankert hier nicht unterstützen.

chen Zeitlupen; sie sehen danach

auch den Ablauf in normaler

Geschwindigkeit, 1.000 Mal wie-

derholt in den verschiedensten

Sportnachrichten, anders, eben

weil sie, wissend, nur auf Werners

„Schwalbe“ warten.

Außer Torwart Fährmann und

Werner weiß zu 100 Prozent

niemand, dass der Leipziger

ohne Berührung zu Boden geht.

Wer etwas anderes behauptet,

weiß nicht, sondern glaubt zu

wissen. Und auf der Ebene von

Glauben und Emotionen haben

es die Fakten erfahrungsgemäß

schwer.

Der „Pfiff der Woche“ bleibt, wie

immer, bei den Fakten und lässt

Bastian Dankert natürlich nicht

raus. Der 36-jährige Rostocker

Blick in die Presse

Nach 19 Sekunden ist das Spiel

für FIFA-Schiedsrichter Bastian

Dankert vom Brüsewitzer SV

in Mecklenburg-Vorpommern

erledigt. Leipzigs Timo Werner

betrügt Schalke 04, das Unpartei-

ischen-Team und die Zuschauer

mit seiner „Schwalbe“. Die Frage,

welcher wir an dieser Stelle

nachgehen wollen, lautet: Was

hätte der Referee anders machen

können?

Punkt 1: Hätte Bastian Dankert die

„Schwalbe“ erkennen können –

eventuell im Zusammenspiel

mit seinem Assistenten Markus

Häcker (Waren/Müritz)? Antwort:

vielleicht. Aber – gleich die

Botschaft an all‘ die Millionen

„Zeitlupen-Könige“ dieser

Republik: Ohne mehrfache Slow

Motion, in normaler, schneller

Spielgeschwindigkeit ist diese

Szene schwierig zu bewerten.

Das wissen alle, die ein paar

Jahre Schiedsrichter-Praxis auf

dem Feld aufweisen können.

RB-Angreifer Timo Werner spurtet

mit dem Ball am Fuß durch den

Strafraum, wird von Schalkes

Naldo so gerade noch nicht

foulwürdig angegangen und

mimt dann neben S04-Keeper

Ralf Fährmann den „sterbenden

Schwan“ – und das in voller

Geschwindigkeit, zudem schau-

spielerisch äußerst geschickt.

„Zeitlupen-Könige“ ohne Fakten

All‘ jene, die meinen, „das muss

er doch sehen“, besitzen ihre

Wahrnehmung nach den zahlrei-

Marco Haase hat sich für die niedersächsische Allgemeine

Zeitung in seiner Kolumne „Pfiff der Woche“ mit der „Schwalbe

von Leipzig“ befasst.

Dass Torwart Ralf Fährmann den stürzenden Leipziger Timo

Werner gar nicht berührt hat, erkennt man erst in der Zeitlupe.