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Wo wir gerade bei diesem Thema
sind: War es besonders großzügig
von Schiedsrichter Felix Zwayer, als
er im Spiel
Hamburger SV gegen
Bayern München (5. Spieltag)
Franck Ribéry „Gelb“ zeigte und
nicht „Rot“?
Das war passiert: Nach einer Frei-
stoß-Entscheidung für die Münch-
ner und noch vor der Spielfort-
setzung ging der Bayern-Stürmer
an seinem Kontrahenten Nicolai
Müller vorbei und kniff ihn kurz in
die Wange (
Foto 2a
). Der Schieds-
richter schaute genau auf die
Szene (
Foto 2b
) und beließ es bei
der Gelben Karte. Das sorgte bei
den Hamburgern, aber auch bei
vielen anderen Fußball-Interessier-
ten für Empörung. Sie wollten, dass
der Franzose für diese Tat vom
Platz gestellt werden sollte.
Aber auch wenn Ribéry in den
Wochen davor wieder einmal in
seinen Spielen disziplinarisch
auffällig geworden war, gilt für
ihn, was für jeden Fußballer in
jeder Spielklasse gilt: Mit dem
Beginn einer Begegnung steht sein
Sünden-Konto auf Null. Innerhalb
ein und desselben Spiels können
Sanktionen (Ermahnung, Verwar-
nung, Feldverweis) aufeinander
aufbauen, spiel-übergreifend darf
das auf keinen Fall sein.
Bei der geschilderten Szene han-
delte es sich um eine Unsportlich-
keit Ribérys, die Felix Zwayer mit
„Gelb“ ausreichend bestraft hat.
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Nicht mehr als Unsportlichkeit
einzustufen ist das Verhalten des
Hamburgers Bobby Wood, der im
Spiel
1. FC Köln gegen den HSV
(9. Spieltag)
zu Recht die Rote
Karte sah. Am Teilkreis vor dem
Kölner Strafraum kommt es zu
einem kurzen Gerangel zwischen
Dominique Heintz und Wood. In
dessen Verlauf stößt der HSV-Stür-
mer seinem Gegner seinen linken
Ellenbogen in die Magengegend
(
Foto 3a
). Daraufhin geht der
Kölner Verteidiger zu Boden. Die
Szene ereignet sich fernab vom
Spielgeschehen.
Aber Assistent Christian Leicher
hat eine Eskalation dieses Duells
vorausgeahnt, das Geschehen im
Auge behalten und Schiedsrichter
Benjamin Brand über das Head-
set zu einer Spielunterbrechung
veranlasst. Damit die schwerwie-
gendste Sanktion, die es während
eines Spiels geben kann, auf ganz
sicheren Füßen steht, sprechen die
beiden Unparteiischen auch noch
kurz direkt miteinander (
Foto 3b
).
Wenn der Schiedsrichter das Spiel
wegen des Vorfalls unterbrochen
hat, muss es mit einem direkten
Freistoß am „Tatort“ fortgesetzt
werden. Auf den headset-freien
Ebenen des Liga-Fußballs müsste
der Assistent sich sofort per
Funkfahne oder mit einem klaren
Fahnenzeichen melden, das gege-
benenfalls vom Assistenten auf der
anderen Spielfeldseite übernom-
men wird.
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Natürlich kann man nicht in den
Kopf eines Spielers schauen, was
allein schon die Feststellung, ob
ein Handspiel absichtlich geschieht
oder nicht, besonders schwierig
macht. Das Regelwerk gibt deshalb
Beurteilungskriterien vor: Bewegt
sich die Hand zum Ball? Aus
welcher Entfernung fliegt der Ball
gegen die Hand? Wo befindet sich
die Hand im Treffmoment? Wobei
mit dem Begriff „Hand“ immer
auch der ganze Arm gemeint ist.
Das ist die Theorie, aus der der
Schiedsrichter sein praktisches
Handeln – wohlgemerkt immer im
Sekundentempo – ableiten muss.
Wie schwierig das oft sein kann,
zeigt eine Situation aus der Begeg-
nung
TSG 1899 Hoffenheim gegen
Schalke 04 (5. Spieltag)
.
Nach einem Schalker Eckstoß durch
Max Meyer spielt Kerem Demirbay
den Ball im eigenen Strafraum
eindeutig mit dem Arm – aber
auch absichtlich? Die Analyse
der TV-Bilder lässt da durchaus
unterschiedliche Sichtweisen zu.
Demirbay hält den Arm nah am
Körper und versucht offensicht-
lich auch, ihn im letzten Moment
wegzuziehen (
Foto 4a
).
Im Vorbeigehen kneift Franck Ribéry dem Hamburger Nicolai
Müller in die Wange.
Schiedsrichter Felix Zwayer kann aus seiner Position die
Situation sehr gut bewerten.
Weitab vom Spielgeschehen, aber vom Assistenten beob-
achtet: Bobby Wood schlägt seinem Gegenspieler den linken
Ellenbogen in den Magen.
Foto 2a
Foto 2b
Foto 3a
Im direkten Gespräch: Benjamin Brand und sein Assistent
Christian Leicher stimmen sich über das Geschehen und die
Folgen ab.
Foto 3b