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S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7

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Lehrwesen

Vier Fragen an Lutz Michael Fröhlich

„Jede neue Erfahrung leistet einen Beitrag“

Die Fragen rund um das Thema

Persönlichkeit beantwortet

dieses Mal Lutz Michael Fröh-

lich, der Sportliche Leiter der

Schiedsrichterkommission

Elite.

Herr Fröhlich, was versteht man

eigentlich unter dem Begriff

„Persönlichkeit“?

Lutz Michael Fröhlich

: Persön-

lichkeit ist nichts Statisches,

sondern es bezeichnet den

„Menschen im Werden“. Per-

sönlichkeit drückt sich in der

Bereitschaft aus, sich selbst

immer weiterzuentwickeln und

die Entwicklungen um sich

herum zu adaptieren. Es geht

darum, eine gute Balance zu

finden zwischen den eigenen

Interessen und denen des

Gesamtsystems, in dem man

sich befindet. Die Qualitäten des

Zuhörens, des Zuschauens und

des selbst Artikulierens sind

wesentliche Merkmale, in denen

sich Persönlichkeit offenbart.

Was bedeutet das auf dem Platz

für die Spielleitung?

Fröhlich

: Wenn der Schiedsrichter

selbstbewusst und klar agiert, mit

einem eigenen Profil und einem

hohen Wiedererkennungswert,

auch wenn sich Situationen oder

Spielverläufe ändern, dann wird

ihm sehr wahrscheinlich Persön-

lichkeit in der Spielleitung zuge-

schrieben. Dabei geht es dann

um die Balance zwischen Zurück-

haltung einerseits und Präsenz,

Eingriff andererseits.

Der Schiedsrichter mit Persön-

lichkeit arbeitet an den gestellten

Aufgaben und den in der Spiellei-

tung zu lösenden Problemen – und

nicht an seiner Selbstdarstellung.

Es geht darum, sich den Proble-

men im Spiel zu widmen, ohne sich

dabei selbst zu einem Problem

oder zu einer Reizfigur zu machen.

Im Umgang mit den Spielern zeigt

sich die Persönlichkeit in einer

respektvollen und verbindlichen

Kommunikation.

Welche Rolle spielt das Alter eines

Menschen für seine Persönlich-

keit?

Fröhlich

: Weil Persönlichkeit eine

stetige Entwicklung beinhaltet, ist

Persönlichkeit in einer be-

stimmten Ausprägung immer

vorhanden. Diese Ausprägung

hängt von der individuellen

Entwicklungsphase ab.

Und wie kann ein Schiedsrichter

seine Persönlichkeit weiterent-

wickeln?

Fröhlich

: Wie jeder andere

Mensch auch. Er sollte Erfahrun-

gen verarbeiten, sich selbst re-

flektieren und Initiative für den

Fortschritt seiner Entwicklung

einbringen. Es ist von Vorteil,

wenn man negative Ereignisse

ernst nimmt, aber sich dabei

nicht in Gänze in Frage stellt.

Da hilft der Dialog mit Personen

des Vertrauens, entweder auf

persönlicher Ebene oder auf

der Basis sachlich-fachlicher

Kompetenz. Beides ist möglich.

Jede neue Erfahrung leistet

früher oder später einen Beitrag

zur Weiterentwicklung der

Persönlichkeit. Und deshalb

ist auch gerade der Job des

Schiedsrichters ideal für die

Persönlichkeits-Entwicklung.

Lutz Michael Fröhlich ist seit

Sommer 2016 Sportlicher

Leiter im Elite-Bereich.

Auswerten von Texten, in denen

Konflikt-Situationen dargestellt

werden. In ihrem didaktisch-

methodischen Konzept machen

sie deutlich, dass Persönlichkeit

nicht am Bildschirm zu lernen

sei. Bei diesem Thema müsse das

handelnde Lernen unbedingt im

Mittelpunkt stehen. Rollenspiele

zur konstruktiven Konfliktlösung

wären hierbei eine sehr gute

Lehrmethode.

Die Schiedsrichter-Ausbildung

und die Einsätze auf dem grünen

Rasen stärken junge Menschen

dann nicht nur als Unpartei-

ische. Auch beim Auftreten in

der Schule und später im Beruf

gewinnen sie an Sicherheit.

souveräne Unparteiische zeige.

Er fordert hierbei, ebenso wie

beim Aussprechen von Spiel-

strafen, die notwendige Konse-

quenz und den erforderlichen

Mut: „Im Umsetzen des Regel-

werks muss jeder Schiedsrichter

für die Spieler und Offiziellen

berechenbar bleiben – ohne da-

bei jedoch den durch die Regel 5

gegebenen Ermessensspielraum

aus den Augen zu verlieren.“

Im Lehrbrief 70 werden für

Lehrabende und Talent-Lehr-

gänge verschiedene Alternativen

zum Persönlichkeits-Training

angeboten. Die Verfasser

geben Hinweise zur Analyse

von Videoszenen und zum

Ein Schiedsrichter mit Persönlichkeit zeigt auf dem Platz die

notwendige Konsequenz und den erforderlichen Mut – wie

Tobias Stieler beim Bundesliga-Spitzenspiel zwischen Borus-

sia Dortmund und Bayern München im November 2016.