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Lehrwesen
Vier Fragen an Lutz Michael Fröhlich
„Jede neue Erfahrung leistet einen Beitrag“
Die Fragen rund um das Thema
Persönlichkeit beantwortet
dieses Mal Lutz Michael Fröh-
lich, der Sportliche Leiter der
Schiedsrichterkommission
Elite.
Herr Fröhlich, was versteht man
eigentlich unter dem Begriff
„Persönlichkeit“?
Lutz Michael Fröhlich
: Persön-
lichkeit ist nichts Statisches,
sondern es bezeichnet den
„Menschen im Werden“. Per-
sönlichkeit drückt sich in der
Bereitschaft aus, sich selbst
immer weiterzuentwickeln und
die Entwicklungen um sich
herum zu adaptieren. Es geht
darum, eine gute Balance zu
finden zwischen den eigenen
Interessen und denen des
Gesamtsystems, in dem man
sich befindet. Die Qualitäten des
Zuhörens, des Zuschauens und
des selbst Artikulierens sind
wesentliche Merkmale, in denen
sich Persönlichkeit offenbart.
Was bedeutet das auf dem Platz
für die Spielleitung?
Fröhlich
: Wenn der Schiedsrichter
selbstbewusst und klar agiert, mit
einem eigenen Profil und einem
hohen Wiedererkennungswert,
auch wenn sich Situationen oder
Spielverläufe ändern, dann wird
ihm sehr wahrscheinlich Persön-
lichkeit in der Spielleitung zuge-
schrieben. Dabei geht es dann
um die Balance zwischen Zurück-
haltung einerseits und Präsenz,
Eingriff andererseits.
Der Schiedsrichter mit Persön-
lichkeit arbeitet an den gestellten
Aufgaben und den in der Spiellei-
tung zu lösenden Problemen – und
nicht an seiner Selbstdarstellung.
Es geht darum, sich den Proble-
men im Spiel zu widmen, ohne sich
dabei selbst zu einem Problem
oder zu einer Reizfigur zu machen.
Im Umgang mit den Spielern zeigt
sich die Persönlichkeit in einer
respektvollen und verbindlichen
Kommunikation.
Welche Rolle spielt das Alter eines
Menschen für seine Persönlich-
keit?
Fröhlich
: Weil Persönlichkeit eine
stetige Entwicklung beinhaltet, ist
Persönlichkeit in einer be-
stimmten Ausprägung immer
vorhanden. Diese Ausprägung
hängt von der individuellen
Entwicklungsphase ab.
Und wie kann ein Schiedsrichter
seine Persönlichkeit weiterent-
wickeln?
Fröhlich
: Wie jeder andere
Mensch auch. Er sollte Erfahrun-
gen verarbeiten, sich selbst re-
flektieren und Initiative für den
Fortschritt seiner Entwicklung
einbringen. Es ist von Vorteil,
wenn man negative Ereignisse
ernst nimmt, aber sich dabei
nicht in Gänze in Frage stellt.
Da hilft der Dialog mit Personen
des Vertrauens, entweder auf
persönlicher Ebene oder auf
der Basis sachlich-fachlicher
Kompetenz. Beides ist möglich.
Jede neue Erfahrung leistet
früher oder später einen Beitrag
zur Weiterentwicklung der
Persönlichkeit. Und deshalb
ist auch gerade der Job des
Schiedsrichters ideal für die
Persönlichkeits-Entwicklung.
Lutz Michael Fröhlich ist seit
Sommer 2016 Sportlicher
Leiter im Elite-Bereich.
Auswerten von Texten, in denen
Konflikt-Situationen dargestellt
werden. In ihrem didaktisch-
methodischen Konzept machen
sie deutlich, dass Persönlichkeit
nicht am Bildschirm zu lernen
sei. Bei diesem Thema müsse das
handelnde Lernen unbedingt im
Mittelpunkt stehen. Rollenspiele
zur konstruktiven Konfliktlösung
wären hierbei eine sehr gute
Lehrmethode.
Die Schiedsrichter-Ausbildung
und die Einsätze auf dem grünen
Rasen stärken junge Menschen
dann nicht nur als Unpartei-
ische. Auch beim Auftreten in
der Schule und später im Beruf
gewinnen sie an Sicherheit.
souveräne Unparteiische zeige.
Er fordert hierbei, ebenso wie
beim Aussprechen von Spiel-
strafen, die notwendige Konse-
quenz und den erforderlichen
Mut: „Im Umsetzen des Regel-
werks muss jeder Schiedsrichter
für die Spieler und Offiziellen
berechenbar bleiben – ohne da-
bei jedoch den durch die Regel 5
gegebenen Ermessensspielraum
aus den Augen zu verlieren.“
Im Lehrbrief 70 werden für
Lehrabende und Talent-Lehr-
gänge verschiedene Alternativen
zum Persönlichkeits-Training
angeboten. Die Verfasser
geben Hinweise zur Analyse
von Videoszenen und zum
Ein Schiedsrichter mit Persönlichkeit zeigt auf dem Platz die
notwendige Konsequenz und den erforderlichen Mut – wie
Tobias Stieler beim Bundesliga-Spitzenspiel zwischen Borus-
sia Dortmund und Bayern München im November 2016.