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nach unpopulären Entscheidun-
gen ihre Linie durchzogen.
Hans Scheuerer ergänzt, dass
zu einer starken Persönlichkeit
zudem die notwendige Sozial-
kompetenz und ein grundsätz-
liches Einfühlungsvermögen in
die unterschiedlichen Charak-
tere der Spieler gehören: „Bei
einigen Aktiven reicht es aus,
sie mit einem guten Wort in die
Schranken zu weisen. Sie haben
einen natürlichen Respekt vor
den Schiedsrichtern. Bei anderen
hilft nur Strenge.“
Mit der Persönlichkeit eines
Schiedsrichters befasst sich
der DFB-Lehrbrief Nr. 70. Die
Verfasser weisen darauf hin,
dass ein starkes, sicheres Auf-
treten mit dem entsprechenden
Durchsetzungsvermögen zu den
Eckpunkten der Leistung auf
dem Spielfeld gehört. Jeder
Unparteiische, gleich in welcher
Sportart, könne nur dann gut
sein, wenn er als Person von
den Aktiven und Funktionären
respektiert werde.
Ein Schiedsrichter, der sich in
seinem Auftreten, in seiner
Körpersprache und in seiner
Rhetorik als schwach erweisen
würde, hätte es schwer, seine
Entscheidungen im Spiel zu
„verkaufen“. Er müsse sich
Wochenende für Wochenende
seine Akzeptanz mit hohem,
persönlichem Einsatz erarbei-
ten und hätte dann wohl kaum
Freude an seiner Tätigkeit.
Doch nicht nur diese genannten
Faktoren zählen nach Aussage
der Verfasser zur Persönlichkeit
eines Unparteiischen, der mehr
sein sollte als ausschließlich der
„Wächter über die Einhaltung
der Spielregeln“.
Siegfried Kirschen, ehemaliger
WM-Schiedsrichter und in seinem
Der Schiedsrichter vergewisserte
sich noch einmal bei Marcel:
„Abseits?“ Jetzt fühlte sich der
junge Mann an der Linie sicher
und stark. Er ließ sich nicht
beirren und antwortete laut und
deutlich: „Nein, niemals!“ Die
Abwehrspieler vom VfL Stade
riefen: „Unmöglich, keine
Ahnung! So junge Assistenten
gehören nicht in die Bezirksliga!“
Doch mit wenigen Handbewe-
gungen machte der Schiedsrich-
ter den Spielern klar, dass er
seinem Assistenten voll ver-
trauen würde.
Szenen wie diese gehören für
jeden Schiedsrichter und jeden
Mann an der Linie zum Tages-
geschäft. Gerade junge, noch
unerfahrene Unparteiische müs-
sen sich in solchen Situationen
bewähren. Sie müssen zeigen,
dass sie auf der Grundlage einer
soliden Kenntnis der Spielregeln
und der notwendigen körperli-
chen Fitness ihre Spiele sicher
über die Bühne bringen.
„Als Schiedsrichter lernst du,
mit Kritik umzugehen, und gehst
gestärkt aus solchen Spielen
heraus. In der Konsequenz sind
das Erfolgserlebnisse, die dein
Selbstbewusstsein fördern“,
erklärt Rolf Görlitz, der Vater
von Marcel und zugleich Schieds-
richter-Lehrwart in Cuxhaven.
Die ehemaligen DFB-Schieds-
richter Hans Scheuerer und
Hans-Joachim Osmers betonen
im Gespräch mit der Schieds-
richter-Zeitung, dass auch
sie lernen mussten, mit Kritik
umzugehen. Jedoch habe es zu
ihren Zeiten in den Spielen noch
eine gewisse Amts-Autorität des
Schiedsrichters gegeben. Der
Unparteiische sei mehr akzep-
tiert worden, obwohl auch da-
mals schon Schiedsrichter
gefordert waren, die sich durch-
setzen konnten, und die selbst
Zivilberuf Psychologe, stellt
klar, dass ein guter Schiedsrich-
ter zugleich die Rolle eines
Spiel-Managers einnimmt, der
zunächst kraft seiner Persön-
lichkeit das Regelwerk umsetzt.
Ein solcher Referee würde erst
dann zu Gelben und Roten Karten
greifen, wenn ihm die Spieler
keine andere Wahl ließen.
Auch Helmut Geyer, Vorsitzender
der DFB-Schiedsrichterkommission
Amateure, macht deutlich, dass
sich gerade beim Aussprechen
der Persönlichen Strafen der
als Persönlichkeit
Der Schiedsrichter (hier Robert Schröder) soll zunächst kraft
seiner Persönlichkeit die Spielregeln umsetzen.