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Leistungsklassen. Von der Kreis-
liga über die Regionalliga bis zur
2. Frauen-Bundesliga: Das Inter-
esse war groß. Auch Vertreter der
Sportgerichte des Fußballkreises
Köln und der Kreisvorsitzende
höchstpersönlich hatten sich ins
Plenum gemischt. Sie wollten
ebenfalls wissen, wie der Schieds-
richter mit dem „normalen“ Recht
in Kontakt kommen kann – und
in welchen Fällen ihm sogar eine
Verurteilung drohen könnte.
Der Mann, der sich vorgenommen
hatte, diese Fragen zwar nicht ein
für alle Mal zu klären (wie das
bei juristischen Überlegungen
nur allzu oft in der Natur der
Sache liegt), ihnen aber zumindest
deutlich näher zu kommen, ist
sowohl in der Rechtswissenschaft
als auch im Fußball zu Hause:
Dr. Jan F. Orth hat den Vorsitz
einer Großen Strafkammer am
Landgericht in Köln und sitzt
außerdem im DFB-Bundesgericht.
In seinen Sportrechts-Vorlesungen
an der Kölner Uni waren bereits
die Eisschnellläuferin Claudia
Pechstein und DFB-Vizepräsident
Dr. Rainer Koch zu Gast.
Zivilrecht,
Strafrecht,
Regeländerungen
Beim „Schiedsrichter-Special“
hatte Orth nun Sascha Stegemann
und Alex Feuerherdt zu Gast.
Stegemann, seit 2014 Bundes-
liga-Referee und selbst studier-
ter Jurist, übernahm den Part
der strafrechtlichen Haftung
des Schiedsrichters, während
sich Feuerherdt, Mitglied des
einzigen deutschen Schiedsrich-
ter-Podcasts „Collinas Erben“
(siehe SRZ Nr. 6/2014), einigen
der zentralen Änderungen im
neuen Regelwerk annahm. Zu-
nächst jedoch sollte es in
der Vorlesung um die Frage
gehen, ob ein Schiedsrichter
Im bunt gemischten Plenum saßen Schiedsrichter, Funktionäre, Juristen und Fußball-Interessierte.
zivilrechtlich belangt werden
kann. Hierbei stellte sich so
manch einer im Hörsaal – mit-
unter vermutlich ein bisschen
beschämt und daher nur inner-
lich – die Frage: Was ist eigent-
lich Zivilrecht?
Dr. Drees muss
nicht zahlen
So war es denn ein Gutes, dass
der Sportrechtler Orth auch
an die Nicht-Juristen im Saal
dachte und vor seinem
Vortrag zunächst einmal
den Unterschied zwischen
Strafrecht und Zivilrecht
erklärte: „Zivilrecht regelt –
stark vereinfacht gesagt – alle
Streitigkeiten unter Privat-
personen, Gesellschaften
und Vereinen. In diesem Zweig
der Rechtswissenschaft geht
es nicht um Gefängnisstrafen,
sondern zum Beispiel um
Schadenersatz.“
Fall 1: Die Causa Drees
Der Fall: Am 34. Bundesliga-
Spieltag entschied Dr. Jochen
Drees nach Rücksprache mit
seinem Assistenten Benjamin
Brand, ein Tor von Borussia
Dortmund zurückzunehmen.
Dadurch rettete sich Hoffen-
heim 2013 in die Relegation
und Fortuna Düsseldorf stieg
ab. Die Entscheidung war rich-
tig. Doch was wäre, wenn sie
es nicht gewesen wäre?
Hätte Fortuna Düsseldorf von
Jochen Drees Schadenersatz
verlangen können?
NEIN!
Denn:
In den Fußball-Regeln ist ein
sogenannter Haftungsausschluss
festgelegt. Dieser stellt unter an-
derem fest, dass ein Schiedsrich-
ter nicht für Schäden von Vereinen
haftet, die aus einer „normalen“
Spielleitung entstehen können.
Wichtig:
Das gilt nur für soge-
nannte unbewusste Fehlentschei-
dungen. Wer absichtlich eine
Fehlentscheidung trifft, kann
natürlich durchaus zur Kasse
gebeten werden.
Auch wenn ihre Entscheidung damals falsch gewesen wäre,
hätten Dr. Jochen Drees und sein Assistent Benjamin
Brand nicht persönlich haften müssen.