Table of Contents Table of Contents
Previous Page  31 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 31 / 36 Next Page
Page Background

31

S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7

zu Schaden kommt. Strafrah-

men: bis zu fünf Jahre Haft oder

Geldstrafe.

Finale mit

„Collinas Erben“

Den Schlusspunkt unter die

Veranstaltung setzte dann Alex

Feuerherdt, der sich – als einziger

Nichtjurist unter den Vortragenden –

intensiv mit drei zentralen Ände-

rungen im Regelwerk auseinander-

setzte. Zunächst befasste er sich

mit dem Eingriff von Auswechsel-

spielern oder Team-Offiziellen ins

Spiel, dann mit der vermeintlichen

Abschaffung der sogenannten

Dreifachbestrafung und schließ-

lich mit der Neuregelung der

Vorteil-Bestimmung. In diesem

dritten Part der Veranstaltung

war zu spüren, wie sich vor allem

die Schiedsrichter im Plenum –

zuvor zwar durchaus interessiert,

durch die vielen Fachtermini und

Paragrafen aber womöglich auch

etwas eingeschüchtert – in ihren

Stühlen aufrichteten und fachkun-

dig mitdiskutierten.

Doch auch für die Jura-Studenten

(zumindest für diejenigen, die

sich für Fußball interessieren)

war dieser Teil spannend, denn

Feuerherdt schaffte es, allgemein-

verständlich mit einigen Missver-

ständnissen aufzuräumen.

Insgesamt war das Schiedsrich-

ter-Special der Sportrechts-Vorle-

sung an der Universität Köln damit

eine Veranstaltung, die für jeden

im Publikum neue Erkenntnisse

bereithielt. Für die Schiedsrichter

erwuchsen diese Erkenntnisse aus

der intensiven Beschäftigung mit

der Rechtslage, für die Juristen

durch den Austausch mit den

Schiedsrichtern und das bessere

Verständnis der modifizierten

Fußball-Regeln.

Und auch wenn Orth, Stegemann

und Feuerherdt insgesamt um eine

Dreiviertelstunde überzogen – das

alte Gesetz von der Nachspielzeit

als „Tod des Schiedsrichters“ war

zumindest an diesem Abend im

besten juristischen Sinn unwirk-

sam.

Interview

„Man wird häufiger fragen, ob der

Schiedsrichter die Regeln eingehalten hat“

Dr. Jan F. Orth (Jahrgang 1974)

war viele Jahre selbst Schieds-

richter. Nach langjähriger

ehrenamtlicher Tätigkeit im

Fußball-Verband Mittelrhein

wurde er 2010 Beisitzer im

DFB-Bundesgericht. Seit 2015

ist er zudem Beisitzer im

Schiedsgericht der Deutschen

Eishockey Liga. Er gilt als einer

der profiliertesten deutschen

Sportrechtler.

Herr Orth, was hat Sie bewogen,

sich juristisch mit dem Schieds-

richter auseinanderzusetzen?

Jan F. Orth

: Früher stand die

Schiedsrichterei im absoluten

Zentrum meines Interesses.

Nachdem sich der Fokus zu

Jura verschoben hat, habe ich

festgestellt, dass bezogen auf

den Schiedsrichter und seine

Tätigkeit viele Fragen noch

nicht ausreichend besprochen

worden sind. Die Antworten auf

diese Fragen sind von prakti-

scher Relevanz und juristisch

zum Teil sehr anspruchsvoll. Ich

finde, das ist eine faszinierende

Kombination.

Wie sieht diese praktische

Relevanz aus? Inwiefern können

Schiedsrichter davon profitie-

ren, wenn sie sich mit den in der

Vorlesung diskutierten Fragen

auseinandersetzen?

Orth

: Die meines Erachtens

gesicherte Feststellung, dass

keinem Schiedsrichter – egal in

welcher Klasse – aufgrund einer

unbewussten Fehlentscheidung

Schadenersatzansprüche

drohen, ist ausgesprochen

beruhigend und stützt die

Position der Kollegen auf

dem Platz. Man kann deutlich

entspannter auftreten, wenn

klar ist, dass das Hobby nicht

zu einem Griff ins eigene

Sehen Sie es auch in der Verant-

wortung der Verbände, Schieds-

richter über diese Dinge aufzu-

klären? Oder sollten sich die Un-

parteiischen selbst informieren?

Orth

: Ich denke, dass es rechtli-

che Handlungspflichten gibt, die

über den unmittelbaren Anfor-

derungen der Verbände stehen

können. Ich stelle außerdem

fest, dass viele aus dem jüngsten

Schiedsrichter-Nachwuchs sehr

ambitioniert sind und aufgrund

des Wunsches, möglichst schnell

und weit nach oben zu kommen,

möglicherweise zu häufig allzu

bereitwillig verbandliche Wün-

sche erfüllen. Das ist nicht der

autonome und selbstbewusste

Nachwuchs-Schiedsrichter,

Jan F. Orth kennt sich sowohl bei den Schiedsrichtern als

auch im Sportrecht bestens aus.

Anforderungen an die Betei-

ligten, was Compliance, also

das Befolgen von Regeln, an-

geht, gestiegen sind. Man

wird viel häufiger fragen, ob

auch der Schiedsrichter alle

Bestimmungen eingehalten

hat, die sein Amt und seine

Aufgaben definieren. Dies wird

das Hobby nicht einfacher

machen, aber nicht zwangs-

läufig dazu führen, dass

Schiedsrichter-Kollegen nun

häufiger vor Gericht stehen:

Für eine strafrechtliche

Haftung müsste es - auch das

haben wir gezeigt - schon

wirklich „dicke kommen“ und

der amtierende Schiedsrichter

ganz elementare Pflichten

vernachlässigen.

Portemonnaie führen kann.

Neben der Unangreifbarkeit von

Tatsachen-Entscheidungen ist

dies ein wesentliches Element der

schiedsrichterlichen Macht, Unab-

hängigkeit und Unparteilichkeit.

Im Übrigen trägt abgesichertes

theoretisches Wissen über alle

Bereiche des Hobbys immer dazu

bei, dass man noch selbstsicherer

agieren kann.

wie ich ihn mir wünsche. Das

kann sogar gefährlich werden.

Heißt das, dass es in Zukunft

häufiger Fälle geben wird, in

denen Schiedsrichter vor Gericht

stehen?

Orth

: Ich glaube, dass in allen

Lebensbereichen und ins-

besondere auch im Sport die