

Am Beispiel des letzten Spieltags
der Saison 2012/2013 (siehe Fall 1)
erläuterte Orth im Anschluss
ausführlich, welche rechtlichen
Grundlagen eine mögliche Scha-
denersatzforderung gegen Jochen
Drees hätte haben können – so
zum Beispiel die Tatsache, dass
sowohl Vereine als auch Schieds-
richter – wenngleich teilweise
über Umwege – Mitglied derselben
Vereinigung (nämlich des DFB)
sind.
Orth stellte dabei vor allem die
Frage in den Mittelpunkt, wie
eigentlich das Rechtsverhältnis
zwischen dem DFB und seinen
Schiedsrichtern auszulegen ist.
Aus dieser Hauptfrage, die unter
vielen Juristen nach wie vor
umstritten ist, ergaben sich im
Folgenden weitere Fragen, die
Orth an das Plenum richtete und
die sowohl als Denkanstöße, aber
auch ganz konkret bei der Prüfung
des Beispielfalls helfen sollten.
Diese Fragen lauteten zum
Beispiel: „Ist die Ansetzung zu
einem Spiel ein rechtlicher
Auftrag? Gibt es zwischen dem
DFB und seinen Schiedsrichtern
möglicherweise sogar eine Art
‚Arbeitsvertrag’? Bräuchte man
deshalb eigentlich einen Schieds-
richter-Betriebsrat oder könnte
ein Schiedsrichter im Sinne des
Rechts auf Arbeit Ansetzungen
einfordern?“
„Sie können auf
dem Platz ent-
scheiden, was
Sie wollen. Ihnen
kann keiner ans
Portemonnaie.“
(Jan F. Orth)
Nach einer Dreiviertelstunde juris-
tischer Diskussion („Gilt hier § 280
Abs. 1 Satz 2 BGB oder gar § 619a
BGB?“) stand jedoch in der Causa
Drees ein Urteil fest, das auch
jenen Schiedsrichtern im Publikum
gefiel, die sich zwischenzeitlich an
typisch juristischen Abkürzungen
wie „VSzGDr“ (Vertrag mit Schutz-
wirkung zu Gunsten Dritter) ein
Report
S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G 1 / 2 0 1 7
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am Spielbetrieb teilnehmen,
gilt nur für „sporttypische
Verletzungen“, nicht für einen
Blitzschlag. Der Haftungs-
ausschluss ist in diesem Fall
unwirksam.
Aber:
Der Unparteiische hat in
diesem Beispiel auch alles falsch
gemacht, was er falsch machen
konnte. Jan F. Orth: „Für eine
strafrechtliche Haftung muss es
schon wirklich ‚dicke kommen‘
und der amtierende Schiedsrich-
ter ganz elementare Pflichten
vernachlässigen.“
Fall 2: Tod durch Blitzschlag
Der Fall: Bei einem Gewitter
unterbricht der Schiedsrichter
das laufende Spiel nicht, obwohl
sowohl Spieler als auch Trainer
mehrfach bei ihm nachfragen.
Schließlich wird ein Spieler vom
Blitz getroffen und stirbt. Hat
sich der Schiedsrichter strafbar
gemacht?
JA!
Denn
: Der Schiedsrichter hat
seine Sorgfaltspflicht verletzt.
Das eigene Risiko der Spieler,
in das sie einwilligen, wenn sie
Zieht ein Gewitter auf, dann muss der Schiedsrichter
diese Gefahr ernst nehmen.
wenig die Zähne ausgebissen
hatten: Wenn ein Schiedsrichter
eine Fehlentscheidung trifft,
so kann er dafür nicht haftbar
gemacht werden, da dies durch
einen Vermerk in Regel 5 ausge-
schlossen ist.
Hier heißt es: „Ein Schiedsrichter
haftet nicht für […] Schäden
von Einzelpersonen, Klubs,
Unternehmen, Verbänden oder
sonstigen Stellen, die auf eine
Entscheidung […] zur Leitung
einer Partie zurückzuführen sind
oder sein könnten.“ Gute Nach-
richten also für Jochen Drees –
auch wenn es sich natürlich
nur um einen theoretischen Fall
handelte.
Was für Bundesliga-Schiedsrichter
gilt, gilt auf den Amateurplätzen
natürlich erst recht. Der falsche
Pfiff kostet in diesen Fällen also
zwar die üblichen Schmährufe der
„Mecker-Opas“ am Spielfeldrand,
aber immerhin kein Geld.
Strafrecht mit
Stegemann
Anders sah es dann allerdings
bei der Frage aus, ob ein Schieds-
richter strafrechtlich (also vom
Staat) belangt werden kann.
Sascha Stegemann, der erkenn-
bare Freude daran hatte, über ein
juristisches Thema zu referieren
(„Sonst geht es meistens darum,
wie man Bundesliga-Schieds-
richter wird...“) befasste sich mit
einem Fall, der für jeden Schieds-
richter ein Horror-Szenario
darstellt (siehe Fall 2): Während
eines Spiels kommt es zu einem
Gewitter, der Schiedsrichter
unterbricht nicht rechtzeitig, ein
Blitz schlägt ein, ein Spieler stirbt.
Die zu klärende Frage: Hat sich der
Schiedsrichter strafbar gemacht?
Auch hier wurde streng juristisch
vorgegangen und – gemeinsam
mit dem Plenum, das der Bundes-
liga-Referee immer wieder einbe-
zog – Tatbestand, Rechtswidrigkeit
und Schuld des Schiedsrichters
geprüft. Im zweiten Fall des
Abends stand am Ende allerdings
ein für viele überraschendes Er-
gebnis: Da der Vermerk in Regel 5,
der eine zivilrechtliche Haftung
ausschließt und die Schiedsrichter
vor Schadenersatzforderungen
schützt, im Strafrecht per Gesetz
keine Rolle spielen darf, kann
sich der Unparteiische durchaus
strafbar machen, wenn er ein
Spiel bei Gewitter nicht rechtzeitig
unterbricht und dadurch jemand
Für den nicht-juristischen Part des Abends sorgte Alex
Feuerherdt von „Collinas Erben“.