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fussballtraining 6+7/2014

Interview

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und das Zusammenspiel verbessern, doch sollte nicht x-mal wie-

derholt werden, was eh nur eine einzige Handlungsmöglichkeit

bietet.

Noch etwas zum Spielaufbau: Wie erwähnt, ist hier eine gute Ball-

kontrolle und Passgenauigkeit notwendig. Sonst können techni-

sche Fehler schnell zum Eigentor werden, da abgefangene Bälle

bedeuten, dass nur noch wenige Spieler hinter dem Ball sind und

einen schnellen Konter verteidigen können. Daher muss das Auf-

bauspiel immer wieder trainiert werden, die Spieler dürfen keine

Angst vor Fehlern haben und müssen abschätzen lernen, wo die

Risiken im Aufbau bestehen.

Beschreiben Sie bitte einige Trainingsprinzipien etwas genauer!

Auszugsweise kann ich das versuchen, aber alles bedingt sich

natürlich und steht in Beziehung zueinander. Ein Prinzip ist z. B.

beim Freilaufen das Öffnen von Räumen und das Nutzen freier

Räume. Ich achte also in einer entsprechenden Spielform beson-

ders auf dieses Verhalten. Nicht nur in der Spitze, sondern auch

auf anderen Positionen: Der Außenverteidiger öffnet seinen Raum

für den Innenverteidiger, indem er hoch schiebt, der Innenverteidi-

ger oder abkippende Sechser zieht hinein. Und vorne macht der

äußere Mittelfeldspieler Platz für den Außenverteidiger. Hier sind

vor allem die Abstimmung und das Timing der Laufwege wichtig.

Stichwort Freilaufen: Dazu gehört auch das Anbieten auf Lücke,

wenn der Spieler sich zwischen den gegnerischen Linien bewegt,

also Bewegungen und Läufe ‘in der Tiefe’. Steht er hinter dem

Mann, ist er vielleicht frei, aber nicht flach anspielbar. Dann genü-

gen meist zwei, drei Schritte nach rechts oder links, um tatsäch-

lich anspielbar zu sein. Kleinigkeiten, aber sehr wichtig.

Ein weiterer Schwerpunkt des schnellen Kombinationsspiels, den

ich ständig einfordere, sind flache Pässe. Ausnahmen sind ledig-

lich Flugbälle zur gezielten Spielverlagerung.

Oder das Umschaltverhalten. Unter anderem lautet ein Prinzip bei

Ballgewinn: Blitzschnell umschalten und mit Höchsttempo (8 bis

12 Sekunden) zum Torabschluss kommen; ist dies nicht möglich:

Ballsicherung und das Kombinationsspiel aufnehmen.

Auch für den Moment des Ballverlustes gibt es Handlungsprinzi-

pien: Ist eine schnelle Ballrückeroberung innerhalb der nächsten 5

Sekunden möglich, können wir den Ball jagen? Dann bleiben wir

mit aller Konsequenz ‘drauf’. Falls das nicht erfolgreich ist: Blitz-

schnell umschalten, geschlossen fallen lassen und kompakt wer-

den um eine neue Pressingsituation herbeiführen. Ausnahme: Der

‘blinde Lauf’ des Angreifers, der versucht, den schnellen Gegen-

stoß durch sofortiges Anlaufen zu verzögern. So verschafft er sei-

nem Team wertvolle Sekunden, um sich organisieren zu können.

Ein weiteres sehr wichtiges Prinzip: Foul bricht Pressing! Wohl

jeder Trainer hat schon erlebt, dass das gesamte Team vorbildlich

vorrückt. Der Ballbesitzer wird umzingelt, hat keine Abspielmög-

lichkeit – und wird dann von hinten mit den Armen angestoßen

oder geschoben, woraufhin er dankbar zu Boden fällt.

Zum Abschluss möchte ich noch das Zwei-Kontaktspiel nennen,

denn schnelles Spiel heißt nicht zwangsläufig direktes Spiel.

Beobachtet man Spiele auf höchstem Niveau, so wird deutlich,

dass sehr viel mit zwei – allerdings sehr schnellen – Kontakten

gespielt wird. Vor allem die Qualität des ersten Kontaktes in Bewe-

gungsrichtung ist fundamental wichtig, verbunden mit einer offe-

nen Stellung. Das macht das Spiel schneller und vor allem präzi-

ser als ein ungenauer Direktpass in den Rücken des Mitspielers

(siehe Einwurf).

Das sind nur exemplarische Prinzipien, die aber nicht zwingend

auswendig gelernt, sondern im Training gelebt werden.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Individuali-

sierung des Trainings?

Kleingruppen- und Individualtraining sind zweifellos wichtige

Bestandteile des Trainingsprozesses. Das individualtaktische Ver-

halten muss aus meiner Sicht aber auch immer wieder in großen

Spielformen trainiert und gecoacht werden. So etwa das 1 gegen

1 des Außenverteidigers: Sicher kann ich ihm im isolierten Zwei-

kampf die individualtaktischen Grundlagen vermitteln. Doch im

Spiel ist genau dieses Verhalten immer auch von seiner Position

auf dem Feld, von den Positionen und dem Verhalten der Mit- und

Gegenspieler abhängig. Deshalb ist es wichtig, auch in großen

Spielformen individuell zu coachen.

Ein weiteres sehr wichtiges Element der individuellen Arbeit sind

die Videoanalysen der Spiele, teilweise auch des Trainings, sofern

diese Möglichkeit besteht. Die Videoanalyse leistet extrem wert-

volle Dienste, egal ob für den individual-, gruppen- oder mann-

schaftstaktischen Bereich. Bestimmte Verhaltensweisen können

aufgearbeitet, Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Das kann in

der Gruppe, mit der gesamten Mannschaft, aber auch mit einzel-

nen Spielern geschehen. Allerdings sollten die Analysen nicht zu

umfangreich, sondern nach Schwerpunkten strukturiert sein. Und

wenn sich diese in den Analysen immer wiederfinden, ist das auch

sehr hilfreich für die kontinuierliche Entwicklung der Spielidee.

Mit Positionswechseln Räume öffnen und Räume nutzen!