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Taktik

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schen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu ihrer Umsetzung benötigt

werden. So setzen manche Trainer auf ein besonders laufintensi-

ves Spiel, andere verteidigen sehr hoch, manche lassen defensiv

und reagierend spielen, andere setzen auf schnelles Umschalten

und kommen in wenigen Sekunden zum Abschluss, wieder ande-

re bauen auf Ballbesitz: Es gibt viele Variationen und Mischformen,

die auch gegnerabhängig variieren können. Es gibt keinen Königs-

weg, alles kann seine Berechtigung haben – nur eines ist immer

entscheidend: Es muss m.E. erklärbar und systematisch sein,

geplant und konsequent in Training und Spiel verfolgt werden.

So war es im vergangenen Jahr besonders spannend, die Ent-

wicklung von Bayern München (siehe Einwurf unten) und Borussia

Dortmund zu verfolgen. Zwei herausragende Trainer prägten den

Stil ihrer Teams sehr deutlich, konsequent und mit unterschiedli-

chen Ansätzen. Überhaupt hat Dortmund unter Jürgen Klopp eine

Mannschaft entwickelt, die eine ganz spezielle Spielweise verfolgt.

Auch die Verpflichtungen zeigen, dass die Spieler bezüglich Tech-

nik, Taktik, Physis und Mentalität besonderen Anforderungsprofi-

len entsprechen. Tempo und Schnelligkeit in den Beinen und im

Kopf spielen eine entscheidende Rolle, ebenso eine große Lauf-

freude und eine positive Mentalität. Sie erfüllen die Anforderungen

der Spielweise des BVB und der Spielidee Klopps, der sie zudem

weiterentwickelt und zu einer funktionierenden Einheit formt.

Sie sprachen von Merkmalen, die die Umsetzung einer Spielidee

behindern können. Welche konkreten Einflussfaktoren gibt es?

Es gibt extrem viele Einflussfaktoren, insbesondere im professio-

nellen Fußball. Offensichtliche wie auch solche, die meist im Ver-

borgenen bleiben. Da spielt hinsichtlich der Teamzusammenstel-

lung zunächst der Zeitpunkt des Einstiegs eine Rolle. Günstig ist

es, wenn der Trainer schon einige Monate vor Saisonbeginn Ein-

fluss nehmen kann. Aber auch in der 1. Vorbereitungsperiode und

Wettkampfphase sind noch Veränderungen möglich, ab Septem-

ber aufgrund der Wechselfristen nur noch begrenzt. Im Januar bie-

tet sich zwar noch einmal die Gelegenheit, doch halte ich das teil-

weise für Aktionismus – oft fehlt die Überzeugung, es regiert häu-

figer das Prinzip Hoffnung. Und nicht selten wird einfach auch For-

derungen des Umfeldes oder der Medien Rechnung getragen.

Damit sind wir beim nächsten Punkt, dem Umfeld: Dessen Erwar-

tungen und Anforderungen spielen eine große Rolle. Was erwarten

Fans und die Region? Diese regionale Identität ist unbedingt zu be-

achten. So ist mancherorts weniger Rasenschach gefragt, sondern

es wird eher ein aggressives und kampfbetontes Spiel favorisiert.

Optimal wäre es, wenn eine Vereinsphilosophie besteht, mit der

sich der Trainer identifizieren kann. Freiburg z. B. macht das seit

vielen Jahren vor. Das Freiburger Spiel steht für eine ganz

bestimmte Art und Weise: Grundsätzlich offensiv und mutig ausge-

richtet, mit vielen jungen Spielern, mit großem läuferischen Ein-

satz. Es gelingt dort immer wieder, Spieler mit einem bestimmten

Anforderungsprofil zu verpflichten bzw. im eigenen Jugendbereich

zu entwickeln und in den Profikader zu integrieren.

Die Rahmenbedingungen haben ebenfalls einen großen Einfluss:

Dazu zählen je nach Ligazugehörigkeit natürlich die finanziellen

Mittel, die der Verein zur Verfügung hat. Außerdem: Gibt es Vorga-

ben oder Wünsche des Vereins (z. B. Vereinsphilosophie), gibt es

eine Scoutingabteilung mit entsprechenden Vorschlägen?

Und ganz wichtig: Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Manager

bzw. dem Sportlichen Leiter? Wie groß ist das Mitspracherecht des

Trainers bei Neuverpflichtungen? Hier gibt es gravierende Unter-

schiede: Von der alleinigen Entscheidung des Trainers bis hin zu

einem eher geringen Mitspracherecht reicht das Spektrum.

Welche dieser Faktoren halten Sie für besonders wichtig?

Aufgrund meiner Erfahrungen (ich kann mich jedoch noch nicht zu

den alten Hasen zählen) und Kenntnisse bin ich überzeugt, dass

grundsätzlich jeder Verein eine Philosophie entwickeln und pfle-

Einwurf:

Konsequent die eigene Linie verfolgen!

Natürlich bietet es sich auch an, die Vermittlung einer Spielidee am

Beispiel des FC Bayern München zu betrachten. Pep Guardiola trat

ein schweres, mit hohen Erwartungen verbundenes Erbe an. Von

Beginn an verfolgte er sehr konsequent eine klare Linie, vermittel-

te seine Idee mit Leidenschaft und gestenreich in jeder Einheit, in

jedem Spiel. Dabei versuchte er, die Spieler abzuholen und in den

Prozess einzubinden. Trotz aller Kritik nach dem Tief gegen Sai-

sonende hielt er an seiner Philosophie fest, gab bisweilen

auch Fehler zu und ging Kompromisse ein. Aber er blieb auf

seinem Weg und scheute sich nicht, unangenehme Entschei-

dungen zu treffen. Aber ich möchte nicht das Bayern-Spiel

analysieren – das ist schon zigmal geschehen.

Verein und Trainer sollten die gleiche Spielidee favorisieren!