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GESTALTUNG DES FUSSBALLTRAININGS
AKTUELLE WISSENSCHAFT FÜR DEN SPITZENFUSSBALL
BLOCK
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Aufgaben der Sportpsychologie
Die vornehmliche Aufgabe der Sportpsychologie im Spit-
zensport – und damit auch im Spitzenfußball – ist die
Leistungsoptimierung von Sportlern und Teams. Wichti-
ge Bausteine dieser Arbeit sind unter anderem die sport-
psychologische Leistungsdiagnostik und darauf aufbau-
end die Optimierung bedeutsamer kognitiver Fertigkei-
ten wie Konzentration, Stressresistenz und Aktivations-
regulation. Teambuilding und die psychologische Unter-
stützung von verletzten Spielern im Rehabilitationspro-
zess gehören neben anderen Maßnahmen ebenfalls zum
Angebots- und Tätigkeitsspektrum. Ausgebildete Sport-
psychologen setzen dabei auf fundierte wissenschaft-
liche Methoden und Nachhaltigkeit der Maßnahmen, die
die Leistung unterstützen und Erfolgschancen deutlich
erhöhen.
Mehrere dieser Methoden können problemlos in das
Training integriert und zum Teil auch ohne direkte Be-
teiligung des Sportpsychologen durch das Trainerteam
umgesetzt werden. Dadurch ist gewährleistet, dass der
Trainer auch bei sportpsychologischen Maßnahmen
relativ unabhängig agieren kann.
Sportpsychologische Trainingsformen
Kern der sportpsychologischen Arbeit bilden die sport-
psychologischen Trainingsformen. Sie optimieren ver-
schiedene Aspekte, die dazu beitragen, die bestmögliche
Leistung in Drucksituationen – im Fußball also in Liga-
und Pokal- und Freundschaftsspielen – abzurufen.
Solche Drucksituationen weisen Merkmale auf, die sich
von der Trainingssituation unterscheiden. Dazu gehören
insbesondere Faktoren wie Erfolgserwartungen, Konse-
quenzen, Zuschauer und Medien. Obwohl die Aufgabe
der Spieler grundsätzlich gleich bleibt, können die ge-
nannten Bedingungen dazu führen, dass Spieler sich
nicht mehr adäquat auf ihre Aufgabe konzentrieren kön-
nen, zum Beispiel weil sie sich von den Rahmenbedin-
gungen ablenken lassen (Mayer & Hermann, 2009).
Wichtigstes Ziel der sportpsychologischen Trainings-
techniken ist es deshalb, die Aufmerksamkeit weg zur
Aktion hin zu lenken. Dafür gibt es verschiedene Basis-
trainingsformen, wie das Training der Kompetenzerwar-
tung, das Training der Gedankenkontrolle, Entspan-
nungs- und Aktivierungstrainings und das Training mit
inneren Bildern, das sogenannte Mentale Training (MT).
Bekannt ist, dass durch MT u.a. Bewegungs- und Verhal-
tensmuster optimiert und die Konzentration verbessert
werden können. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf
neuere Überlegungen zum MT gerichtet, dem Taktik-
lernen.
MT ist die am umfassendsten beforschte sportpsycholo-
gische Trainingstechnik. Der Begriff wird umgangs-
sprachlich vielseitig verwendet. Im sportpsychologi-
schen Kontext versteht man darunter im Sinne Eber-
spächers (Eberspächer, 2007) “das planmäßig wieder-
holte, bewusste sich Vorstellen einer Bewegung ohne
deren tatsächliche Ausführung”. Trainiert wird dabei die
zentralnervöse Steuerung eines Bewegungsablaufs.
Dies zeigt sich auch beim Nachweis mit Hilfe moderner
bildgebender Verfahren, die belegen, dass beim menta-
len Trainieren motorische Areale in ähnlicher Weise akti-
viert werden wie beim normalen Training (Mayer & Her-
mann, 2009).
Diese Technik ist in der Vergangenheit eher bei Einzel-
sportarten zum Einsatz gekommen. Zwar liegen aus dem
Fußball nur wenige empirische Ergebnisse vor, jedoch
gibt es diverse Erkenntnisse aus anderen Teamsportar-
ten, auf deren Basis Analogieschlüsse für den Fußball
nahe liegend sind. Aber auch in einer fußballspezifischen
Studie mit Mittelfeldspielern zeigte sich, dass sich Men-
tales Training in Kombination mit anderen Techniken po-
sitiv auf die Qualität des Passspiels und das Zweikampf-
verhalten auswirkt (Thelwell, Greenless & Weston,
2006).
Für verschiedene Sportarten, aber auch für unterschied-
liche Abläufe innerhalb der Sportarten, ergeben sich ab-
hängig vom Komplexitätsgrad unterschiedliche Anfor-
derungen, die bei der Umsetzung berücksichtigt werden
müssen (Mayer & Hermann, 2009). Einfluss auf die Kom-
plexität haben die Bewegung sowie die Mit- und Gegen-
spieler. Ein Schuss in die linke obere Ecke beim Elfmeter
wäre ein Beispiel für eine Bewegung auf Komplexitäts-
stufe 1. Passspiel unter Bedrängnis und unter Berück-
sichtigung der Bewegung von Gegner und Mitspieler wä-
re eine Bewegung der Komplexitätsstufe 7. Der Erfolg
des Mentalen Trainings hängt jedoch sportartunabhän-
Psychologische Trainingsformen
im Spitzenfußball
Prof. Dr. phil. Hans-Dieter Hermann