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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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Was ist mir wichtig im Leben? Was bedeutet der Fußball,
das Training, der Wettkampf? Es geht darum, den Sport
und andere Lebensinhalte einzuordnen und hierbei zu
hinterfragen (d.h. zu reflektieren), welche Dinge die
eigene Person gefühlsmäßig am meisten berühren. Die
Auseinandersetzung mit diesem Prozess prägt den
affektiven Teil der Persönlichkeit.
Die dritte Gruppe von Persönlichkeitsfaktoren besitzt
eine soziale Ausprägung; diese Faktoren sind insbeson-
dere im Mannschaftssport relevant und bei exzellenten
Spielern häufig zu beobachten. Diese Faktoren dienen
letztlich dazu, sich selbst in angemessener anderen ge-
genüber verständlich zu machen und andere zu verste-
hen. Sozial geprägte Persönlichkeitseigenschaften sind
die Grundlage dafür, positive Emotionalität im Team zu
erleben, die eigene Rolle zu gestalten oder allgemein so-
ziale Anforderungen zu bewältigen. Zugleich ist ein
wichtiges Prinzip bei der Entwicklung dieser sozialen
Persönlichkeit sich selbst als Individuum im Rahmen der
Gruppe (personale Identität) und sich selbst als Teil der
Gruppe (soziale Identität) zu finden und zu entwickeln.
Letztlich kann man bei hochklassigen Spielern, beispiels-
weise Nationalspielern, feststellen, dass etliche der ge-
nannten Faktoren insgesamt relativ stark ausgeprägt
sind. Dies zeigt, dass im Trainingsprozess genau diese
Komponenten gefördert werden sollten. Es stellen sich
hiermit beispielsweise folgende Fragen: Wie gehen Spie-
ler mit Handlungsergebnissen, mit Erfolg und Misserfolg
um. Lernen sie, selbstkritisch zu analysieren, eine opti-
mistische selbstsichere Grundhaltung einzunehmen, ihr
Handeln mit der eigenen Vorbereitung in Beziehung zu
setzen und Konsequenzen zu ziehen? Lernen sie, Ziele
zu relativieren und mit Genuss und einem notwendigen
Maß Humor zu behandeln? Diese komplexen Prozesse
sind es letztlich, die positive Persönlichkeitseigenschaf-
ten entwickeln und stabilisieren helfen.
Institutionelle Strukturen zur Förderung der
Persönlichkeitsentwicklung
Inzwischen bestehen personale oder institutionelle
Strukturen, die für Trainer und Verantwortliche Hilfe-
stellungen anbieten, um solche persönlichkeitsfördern-
den Lern- und Entwicklungsprozesse der Spieler anzulei-
ten und mitzugestalten:
sportpsychologisches und sportpädagogisches Personal
mit persönlichkeitsbildender Expertise (z.B. in Leis-
tungszentren, Verbänden, Stützpunkten)
Institutionelle Initiativen zur Beratung und Organisation
von Betreuung (z.B. MentalTalent.de,
MentalGestaerkt.de)
(
Abb 2). Zum ersten sind dies die für Spieler wichtigen
kognitiven Ausprägungen; diese sind die Folge der Be-
wertung von Erfolg oder Misserfolg. Im Rahmen dieser
Bewertung lernen Spieler eigene Fähigkeiten und Fertig-
keiten den Ergebnissen zuzuordnen und entwickeln auf
diese Art Eigenschaften wie Optimismus oder Gewissen-
haftigkeit.
Daneben gibt es Persönlichkeitsfaktoren affektiver Prä-
gung. Sie dienen weniger der Bewertung von Handlungs-
ergebnissen als vielmehr der Regulation der Handlung
selbst; ein selten genanntes Beispiel hierfür ist die Ge-
nussfähigkeit. Es ist nämlich im Fußball gleichsam wich-
tig wie auch oft unerwähnt, dass Spieler lernen, diesem
Sport das Schöne abzugewinnen, also das Genießen des
Spielens selbst. In vielen Situationen, in denen Stress
droht, kann die Eigenschaft des Genießens eine wert-
volle Bewältigungsressource sein. Genuss kann hierbei
viele Facetten beinhalten – es geht vom spielerischen
Miteinander bis hin zur körperlichen Ausbelastung (d.h.
das Genießen sich zu quälen).
Auch der Humor wird im Zusammenhang der affektiven
Persönlichkeitsfaktoren eher selten genannt; dabei ist
dieser Faktor einer der wichtigsten Bewältigungsfakto-
ren überhaupt, insbesondere beim Umgang mit Krank-
heiten. Leider gibt es vergleichsweise wenig Humorfor-
schung. Interessanterweise greifen gute Spieler und
Trainer auf Humor als Eigenschaft der Stressbewälti-
gung häufig zurück. Fraglich bleibt, ob im Rahmen des
Trainings oder Wettkampfs Humor beispielsweise im
Umgang von Erfolg und Misserfolg gefördert wird.
Grundsätzlich spielt bei den affektiven Aspekten auch
der Umgang mit eigenen Zielen eine bedeutende Rolle.
ABB. 2
PERSÖNLICHKEIT - FAKTOREN UND
PRÄGUNGEN
Persönlichkeitsfaktoren sind mittel- und
langfristige Folge positiver Lernprozesse
Kognitive Prägung
Selbstsicherheit
Optimismus
Gewissenhaftigkeit
Affektive Prägung
Genussfähigkeit
Humor
Ausgeglichenheit
Lernprozess
(
i. Sinne von
Persönlichkeits-
entwicklung)
Soziale Prägung
Offenheit
Kontaktfähigkeit
Ehrlichkeit