5 4
NACHWUCHSFÖRDERUNG
Diese bildungstheoretische Unterlegung der Transfor-
mation von Fußballtraining in Unterricht findet ihre kon-
sequente Fortsetzung in der Entwicklung sogenannter
schulinterner Lehrpläne“. Diese schulinternen Lehrplä-
ne sind im Kern nichts anderes als pädagogisch aufbe-
reitete Rahmentrainingspläne der unterschiedlichen
Sportarten. Auch hier wird die strukturelle Kopplung
ganz deutlich: Trainingspläne werden transformiert in
Lehrpläne!
Und die strukturelle Kopplung wird an zwei weiteren
Punkten deutlich: einmal darin, dass die Sportschüler
Schulnoten für ihre sportlichen Leistungen erhalten, das
Unterrichtstraining also benotet wird; und zum anderen
darin, dass auf der Sozialebene die Rolle des Lehrer-
Trainers geschaffen wird. Es werden also für diese Schu-
len spezifische Stellen geschaffen und mit Personen be-
setzt, die über beides verfügen: Eine Lehrer- und eine
Trainerqualifikation.
Ohne dies an dieser Stelle weiter zu vertiefen, stellt sich
die spannende Frage, warum diese strukturelle Kopp-
lung möglich ist, denn diese spezifische Verbindung
zweier Systeme ist höchst unwahrscheinlich. Zwei Grün-
de erscheinen mir hier bedeutsam: Der eine Grund liegt
darin, dass die Eliteschulen in Brandenburg einen schul-
rechtlichen Sonderstatus haben. Dieser schulrechtliche
Sonderstatus ist im Grunde die Bedingung der Möglich-
keit der strukturellen Kopplung, denn dadurch erst wird
es möglich, Lehrpläne entsprechend zu gestalten und
Lehrer-Trainer anzustellen.
Der zweite Punkt für die Realisierung der strukturellen
Kopplung ist, dass diese Schulen durch eine spezifische
Organisationskultur gekennzeichnet sind. Mit Organisa-
tionskultur wird das Bündel an Werten, Normen und Tra-
ditionen einer Organisation bezeichnet. Hier kommt das
Selbstverständnis – die Bayern würden sagen: das „mia
san mia“ – einer Organisation zum Ausdruck, das die
Grenzen dessen festlegt, was geht und was nicht geht.
Betrachtet man die Eliteschulen in Brandenburg aus die-
sem Blickwinkel, dann handelt es sich ausnahmslos um
Nachfolgeeinrichtungen der ehemaligen Kinder- und Ju-
gendsportschulen der DDR. Sie stehen damit in einer
ganz bestimmten Tradition. Aber Vorsicht! Damit keine
Missverständnisse aufkommen: Damit ist nicht gemeint,
dass an diesen Schulen alte KJS-Strukturen fortgeführt
werden. Denn dies würde ja heißen, dass der Sport ge-
genüber der Schule Priorität hätte. Aber genau dies ge-
schieht ja nicht bei der strukturellen Kopplung. Hier geht
es nicht um eine politisch induzierte Prioritätensetzung
des Sports gegenüber der Schule, sondern es geht hier
um die Überführung des Sports in die Logik von Schulen.
Und dies ist etwas völlig anderes als die KJS!
Die Turner realisieren sogar noch größere Stundenum-
fänge, nämlich bis zu 31 Unterrichtsstunden in der Jahr-
gangsstufe 10. Das gesamte Training ist jeweils in den
curricular vorgesehenen Unterricht integriert und findet
damit im System Schule statt. Eine solche Transforma-
tion von Training in Unterricht bedarf natürlich einer Be-
gründung, soll die Organisation Schule nicht zu einer
Trainingsanstalt degenerieren, soll also Schule weiterhin
Schule bleiben.
Diese Begründung erfolgt, indem Leistungssport zu ei-
nem schulischen Bildungsinhalt erklärt wird. Ich zitiere
Hummel u. a.:
Das leistungssportliche, sportartgebundene Trainieren
und Wettkämpfen (…) wird konsequent als schulischer
Bildungs- und Erziehungsbereich gefasst und als
pädagogischer Prozess interpretiert und konzipiert. In
diesem ‚neuartigen‘ spezialbildenden schulischen Bil-
dungs- und Erziehungsbereich dominiert die schul-
pädagogische Funktionsstruktur und Funktionslogik,
denn die systematische Förderung von sportlicher Hoch-
begabung fällt in den Verantwortungsbereich der Schu-
le“ (Hummel et al. 2009, 8).
Anspruch: eine Tradition, eine Kultur der sportlichen Eliteförderung im
Kontext von Schule schaffen!