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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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ter den ersten Fall – die Ersetzung von Sportunterricht
durch Training subsumieren. Sondern ich fokussiere nun
eine sachliche Anpassung in der Form, dass Training zu
Unterricht wird und damit zu einem Inhalt der Schule.
Es geht nicht mehr bloß darum, in der Schule die Zeit des
Sportunterrichts für Training freizublocken, sondern es
geht darum, Training in Sportunterricht zu transformie-
ren und damit im System Schule zu verankern.
Eine solche Verbindung von Schule und Sport bzw. von
Unterricht und Training lässt sich soziologisch als
„
strukturelle Kopplung“ beschreiben. Damit wird der
Austausch zwischen verschiedenen Systemen bezeich-
net, bei dem die Grundoperation eines Systems in die
Grundoperation eines anderen Systems transformiert
wird, ohne die Differenz zwischen den beiden Systemen
aufzuheben. Für den vorliegenden Fall heißt dies: Die
Schule macht sich Training als Sportunterricht zu eigen
und nutzt damit spitzensportliche Leistungen für die ei-
gene Funktionserfüllung.
Strukturelle Kopplung von Training und
Sportunterricht in Eliteschulen des Sports
in Brandenburg
Diese Form der sachlichen Anpassung wird bisher in
Reinform nur in einem Verbundsystemmodell prakti-
ziert, nämlich in den Eliteschulen des Sports im Land
Brandenburg. Darunter befinden sich mit der Lausitzer
Sportschule Cottbus und der Sportschule Friedrich-Lud-
wig-Jahn in Potsdam auch zwei Eliteschulen des Fuß-
balls.
Das Brandenburger Modell der Eliteschulen funktioniert
so, dass ab der Jahrgangsstufe 7 Sportartenklassen ge-
bildet werden, in denen Training als Unterricht stattfin-
det. So gibt es z. B. an der Eliteschule des Fußballs in
Potsdam für den weiblichen Bereich eine Sportarten-
klasse Fußball, in der 21 Schulstunden Fußballunterricht
in der Jahrgangsstufe 10 im Lehrplan verankert sind –
zusätzlich zum normalen außersportlichen Unterricht in
der Schule (Abb. 1).
gaben nachzukommen: Hauptberufliche Trainer und
Nachwuchskoordinatoren sind Voraussetzung dafür,
dass die zeitliche Abstimmung der Anforderungen effek-
tiv funktionieren kann. Darüber hinaus beteiligt sich bei-
spielsweise der DFB auch an der sozialen Unterstützung
seiner Nationalspieler, indem er Lehrkräfte abstellt und
finanziert, die die Nationalspieler auf Lehrgängen und
Turnierreisen begleiten und mit ihnen den Stoff durchar-
beiten, den sie durch ihre Abwesenheit in der Schule ver-
passen.
Sachebene:
Die Sachebene ist im Hinblick auf mögliche
Strukturanpassungen mit Abstand die schwierigste, weil
es hier um Inhalte und damit um das Kerngeschäft von
Schulen geht, nämlich um Vermittlung und Selektion.
Und dieses Kerngeschäft der Schulen darf der Sport
nicht in Frage stellen. Denkt man etwa an eine Reduzie-
rung schulischer Inhalte und Prüfungsanforderungen für
Nachwuchsspieler, dann ist eine solche Anpassung nicht
möglich. Denn die Schule bestimmt über Selektionsleis-
tungen die Lebenskarriere von Menschen mit und muss
aus Gerechtigkeitsgründen zwingend allen Schülern die
gleichen Bedingungen in dieser Hinsicht einräumen.
Sachliche Anpassungen für Nachwuchsspieler scheinen
in der Schule nur in einem einzigen Bereich möglich: im
Sportunterricht. Hier lassen sich zwei Varianten der
sachlichen Anpassung unterscheiden: erstens die Frei-
stellung der Nachwuchsspieler vom Sportunterricht, um
die frei werdenden Zeiteinheiten für Training zu nutzen.
Genauer: für Training, das unter der Federführung von
Vereins- oder Verbandstrainern außerhalb des Systems
Schule stattfindet. Zweitens gibt es die Möglichkeit, den
Sportunterricht selbst für Trainingszwecke zu nutzen
und die spitzensportliche Nachwuchsförderung damit
innerhalb des Systems Schule zu verankern.
Zunächst zur ersten Möglichkeit – also der Befreiung der
Nachwuchsspieler vom Sportunterricht, um Zeit für Vor-
mittagstraining zu gewinnen. Diese Form der Reduzie-
rung schulischer Inhalte und die Ersetzung des Sportun-
terrichts durch Training scheint vor allem deshalb mög-
lich zu sein, weil der Eindruck vermittelt werden kann,
dass hier ja bloß Sport durch Sport ersetzt wird und weil
das Fach Sport kaum zur Selektionsfunktion der Schule
beiträgt. Diese Art der sachlichen Anpassung wird dann
auch durchaus in verschiedenen Verbundsystemen
praktiziert.
Zur zweiten Option sachlicher Anpassung: der Nutzung
des Sportunterrichts für Trainingszwecke. Damit meine
ich im Folgenden nicht den Fall, dass Trainer in den
Sportunterricht kommen und dort an Stelle des Sport-
lehrers Trainingsinhalte vermitteln – dies würde ich un-
ABB. 1
SPORTUNTERRICHT IN DER SPORTART
FUSSBALL
(
Schulstunden pro Woche)
7.
Klasse 8. Klasse 9. Klasse 10. Klasse
Schulsport
3
3
3
3
Wahlpflicht-
4
4
4
4
unterricht
Wahlunterricht
11
11
12
14
Summe
18
18
19
21