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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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entwicklung, die nicht kompatibel sind mit einer ver-
meintlich einseitigen Vereinnahmung der Athleten
durch den Spitzensport.
Aus den beiden genannten Gründen, den fehlenden
schulrechtlichen Rahmenbedingungen und der nicht an-
schlussfähigen Organisationskultur, erscheint mir eine
Übertragung des Brandenburger Modells auf andere
Bundesländer nicht sinnvoll. Es ließe sich lediglich auf
solche Bundesländer übertragen, die ähnliche struktu-
relle Voraussetzungen bieten wie Brandenburg – und
das sind vornehmlich die östlichen Bundesländer. In den
anderen Bundesländern empfehle ich, eine Optimierung
der Unterstützung auf der Zeit- und Sozialebene anzu-
streben. Denn was der Sport in erster Linie von den
Schulen erwartet, ist Zeit. Dazu ein Zitat eines Ver-
bandsvertreters aus der Sportart Tischtennis:
Die Schule macht die Eliteförderung am besten da-
durch, dass sie den Schülern die zeitlichen Möglichkeiten
gibt, um ihren Leistungssport zu machen: Vormittags-
training, Freistellung für Wettkämpfe und Trainingsla-
ger, Verschiebung von Arbeiten, keine Klausuren direkt
nach Wettkämpfen. Wir brauchen von der Schule nur
Zeit, um das Training kümmern wir uns selber“.
Diese Einschätzung des Tischtennis-Vertreters würde
ich eins zu eins auch auf den Fußball übertragen. Der
Fußball hat gerade durch seine Leistungszentren Struk-
turen geschaffen, die ihm – zumindest im männlichen
Bereich – eine optimale sportliche Förderung der Nach-
wuchsspieler erlauben. Auf der Sachebene ist er damit
gar nicht auf schulische Unterstützung angewiesen. Des-
halb sollte er in sachlicher Hinsicht auch eine klare Tren-
nung der Systeme Schule und Sport anstreben und das
heißt, die Schule in ihrer Autonomie und ihrem pädago-
gischen Auftrag anerkennen und stärken. Die Veranke-
rung eines spitzensportlichen Trainings im schulischen
Unterricht kann – je nach Schulkultur – eine pädagogi-
sche Zumutung darstellen, die die Schule als Schule
überfordert und damit die Kooperation im Verbundsys-
tem gefährdet.
Für den Fußball und sein Modell der Eliteschulen gilt da-
her vor allem zu prüfen, inwiefern es ihm flächen-
deckend gelingt, Schulen auf der Zeit- und Sozialebene
für eine Unterstützung der Nachwuchsspieler zu gewin-
nen. Eine solche Optimierung zeitlicher Flexibilisierung
und sozialer Unterstützung ist meines Erachtens unbe-
dingt nötig, weil eine Gesellschaft, die Spitzensport gou-
tiert, nicht auf die Risikobereitschaft und heroische Leis-
tungen Einzelner setzen darf, sondern spitzensportliche
Karrieren bedürfen einer strukturellen Absicherung, da-
mit sie für die Nachwuchsspieler nicht zu einer biogra-
phischen Falle werden.
Wenn ich auf die Organisationskultur der Schulen abhe-
be, dann deshalb, weil es in diesen Schulen eine Tradi-
tion, eine Kultur der sportlichen Eliteförderung im Kon-
text von Schule gibt. Diese Kultur ist historisch gewach-
sen und im Selbstverständnis der Schulen verankert.
Strukturelle Kopplung von Training und
Sportunterricht – ein bundesweites Modell
für den Fußball?
Wie ist dieses Modell der Eliteschulen in Brandenburg
nun aus der Perspektive des Spitzensports und insbe-
sondere aus der Perspektive des Fußballs zu bewerten?
Auf den ersten Blick erscheint das Modell hochattraktiv,
denn es offeriert dem Sport einen stabilen Zugriff auf
wichtige Ressourcen: vor allem Zeit für Training, die im
Stundenplan fest verankert ist und die dauerhafte Fi-
nanzierung von Lehrer-Trainern durch die Politik. Bilan-
ziert man das Brandenburger Modell in dieser Weise,
dann ist eigentlich die Idee naheliegend, dieses Modell
auf andere Bundesländer und auf andere Eliteschulen
des Fußballs zu übertragen.
Ich rate davon ab! Und zwar aus zwei Gründen: Erstens,
weil sich die schulrechtlichen Rahmenbedingungen, wie
sie in Brandenburg gegeben sind, nicht in allen Bundes-
ländern herstellen lassen. Und zweitens, weil eine Orga-
nisationskultur, die anschlussfähig ist an den Spitzen-
sport, in solch ausgeprägter Form in anderen, vor allem
den alten, westlichen Bundesländern nicht gegeben ist.
Es dominieren häufig pädagogische Vorstellungen einer
ganzheitlichen Allgemeinbildung und Persönlichkeits-
Den Schülern Zeit für ihren Leistungssport geben: Inhalte können auch
individuell nachbearbeitet werden.