2.
DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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dem Ausmaß des Ballbesitzes der Mannschaft, der
Tabellensituation usw. In Spanien absolvierten beispiels-
weise in einer Studie die Teams der unteren Tabellen-
hälfte ein größeres Laufpensum als die Teams der obe-
ren Tabellenhälfte. Ein Kausalzusammenhang zwischen
der Laufleistung und dem fußballspezifischen Leistungs-
vermögen besteht also nicht (oder demnach höchstens
ein umgekehrter...).
Auch Spielsimulationen sind als Instrument der Leis-
tungsmessung denkbar, erscheinen aber nicht zwingend
praktikabel. Verschiedene Testverfahren versuchen, die
üblichen Bewegungen in einem Fußballspiel zu simulie-
ren, z. B. beinhalten diese komplizierten Tests das Ball-
führen auf einem Laufband, Sprints mit Abstoppen usw.
Auch solche Tests sind in ihrem realen Praxisnutzen zu
hinterfragen. Weitere Feldtests (Shuttle-Run-Tests, am
bekanntesten der Yo-Yo-Test) versuchen, den „Stopp-
and-Go“-Charakter der Sportart nachzuahmen, entspre-
chen aber ebenfalls kaum der viel komplexeren Spielrea-
lität im Wettkampf.
Unter dem Strich ist festzuhalten, dass es kein standar-
disiertes Verfahren zur Messung der fußballspezifischen
Leistungsfähigkeit gibt und die hierfür verantwortlichen
theoretischen/prinzipiellen Schwierigkeiten sicher nicht
so bald zu lösen sind. Damit ist man darauf angewiesen,
in anderen Sportarten bewährte Methoden möglichst
plausibel zu entlehnen oder nur Teilaspekte des Fußballs
zu erfassen.
Einfache motorische Tests
Einfache motorische Tests erfassen die Kraft, die
Schnelligkeit oder die Sprungkraft, wobei recht einfache
Parameter wie die Sprintzeit oder die Maximalkraft in
den Blick genommen werden (Abb. 2). Ein Beispiel aus
der brasilianischen 1. Liga zeigt, dass sich die Sprint-
Kriterium der Objektivität erfüllen, psychometrische Be-
fragungen und ergänzende Verfahren wie die Messung
der Herzfrequenz (-variabilität) und Doppeltests hin-
sichtlich ihrer Tauglichkeit für die Regenerationsmes-
sung im Fußball erörtert.
Die (sportartspezifische) Leistungsfähigkeit – im Fußball
schwer zu erfassen
Die (sportartspezifische) Leistungsfähigkeit ist im Grun-
de der logischste Parameter, denn eine mangelnde Er-
holtheit lässt natürlich eine reduzierte Leistungsfähig-
keit erwarten. Der Wert einer Studie lässt sich durchaus
daran ablesen, ob diese versucht, die Leistungsfähigkeit
zumindest annähernd abzubilden (und nicht nur „Surro-
gatparameter“ misst). Das ist allerdings beim Fußball
nicht so einfach. In einfacher aufgebauten Sportarten ist
dies besser möglich. So sollte man in einer aussagekräf-
tigen Radsport-Studie einen radsportspezifischen Test
und nicht nur die Untersuchung von Blutwerten erwar-
ten können. Etabliert sind dort sogenannte „Time Trials“
(
Beispiel in Abb. 1). Die Anforderung an einen Sportler
besteht darin, im 30-minütigen Zeitfahren eine mög-
lichst hohe Durchschnittsleistung zu erbringen. Die Leis-
tungskurve oszilliert ein wenig, d. h., die abrufbare Leis-
tung kann variiert werden. Ein solcher Test ist unter
Laborbedingungen eine sehr valide Simulation der
Anforderungen in der Wettkampfwirklichkeit.
Beim Fußball besteht aber das Problem, die „reale“
Beanspruchung und das „reale“ Vermögen adäquat ab-
zubilden. Spielbeobachtungen, Videoanalysen oder auch
Infrarotkameras sind diesbezüglich grundsätzlich zwar
geeignete Methoden. Allerdings muss konstatiert wer-
den, dass auch bei Spielern ohne große Formschwan-
kungen die gemessenen Parameter von bestimmten
(
situativen) Faktoren abhängig sind: dem Spielstand,
ABB. 2
EFFEKT EINES FUSSBALLSPIELS
20
m-Sprintzeit (best-of-2)
Maximalkraft Quadriceps und Hamstrings
2,7
2,8
2,9
3,0
3,1
SEC
3,3
3,2
PRE
30
MIN
24
H
48
H
72
H
220
A
200
180
160
140
120
100
Pre 30min 24h
48
h 72h
110
120
130
140
B
100
90
80
70
60
50
Pre 30min 24h
48
h 72h
72
h post:
-5%
72
h post:
-10%
Ascensao et al.,
Clin Biochem 2008