2.
DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
1 1 3
4.
Übertragbarkeit von anderen Sportarten?
Viele Studien beziehen sich auf andere Sportarten. Die-
se Sportarten haben andere Belastungsstrukturen, die
man gelegentlich bzw. teilweise auf den Fußball übertra-
gen kann, häufig aber auch nicht. Selbstverständlich
spielt beispielsweise die Ausdauer beim Fußball eine Rol-
le, aber nicht vordergründig wie bei reinen Ausdauerdis-
ziplinen. Im Vergleich würde man mit einem Ausdauer-
instrumentarium also beim Fußballer nur eine Kompo-
nente beurteilen, während man etwa beim Radsportler
zu einer aussagekräftigeren Beurteilung seiner Ermü-
dung käme.
5.
Individuelle Aussagen erforderlich
Auch wenn man mit einer ganzen Mannschaft arbeitet,
zielt die Erholtheitsdiagnostik meistens darauf ab, indivi-
duelle Aussagen zu treffen. Sehr selten will man wissen,
ob ein Team im Ganzen ermüdet ist. Die Übertragbarkeit
gruppenstatistischer Werte in eine individualdiagnosti-
sche Perspektive ist häufig unzulässig. Eine gute indivi-
duelle Trennschärfe hat große Bedeutung.
Nehmen wir an, dass im Rahmen einer Untersuchung der
Vergleich der Ruhe-Herzfrequenz einer Gruppe Trainie-
render mit einer Gruppe, die kein Training absolvierte,
im Mittel eine höhere Herzfrequenz der Trainingsgruppe
am Morgen nach der Belastung zeigte. Damit ist noch
keine praxistaugliche Interpretation in dem Sinne „Herz-
frequenzerhöhung = Ermüdung“ zu unterstellen. Die
Einzelverläufe in beiden Gruppen zeigten nämlich, dass
die Herzfrequenz nach einer Belastung in mehreren Ein-
zelfällen auch gesunken sein kann, während diese nach
Ruhe umgekehrt mitunter auch einen höheren Wert auf-
weist.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass ein Parameter zur
Messung von Ermüdung nicht nur in seiner gruppensta-
tistischen Ausprägung (Mittelwertsentwicklung) be-
trachtet werden kann, sondern auch das Kriterium erfül-
len muss, möglichst alle Einzelfälle valide zu beurteilen.
Ebenen der Erschöpfung
In der der multifaktoriell geprägten Sportart Fußballspie-
len verschiedene Ebenen der Erschöpfung eine Rolle,
die die Regenerationsdiagnostik in den Blick nehmen
kann einerseits zur Folge haben, dass noch nicht wieder
voll trainingsfähige Spieler überlastet werden. Umge-
kehrt wäre es für die Leistungsziele ebenfalls kontra-
produktiv, wenn ein bereits erholter Spieler nicht oder
nur eingeschränkt am Training teilnimmt. Die Erholt-
heitsdiagnostik hat also relevante Konsequenzen für die
Leistung im Fußball und muss daher bestimmte Qua-
litätskriterien berücksichtigen bzw. erfüllen. Folgende
Aspekte sind unter Praxisaspekten wichtig:
1.
Überlappung akuter und chronischer Effekte
Nicht nur die begriffliche Festlegung, auch die Regene-
rationskontexte im Fußball-Setting mit den vielen Spiel-
tagen müssen differenziert betrachtet werden: Einer-
seits gibt es eine Erholtheit nach einer zuletzt statt-
gefundenen bestimmten Belastung. Andererseits sum-
mieren sich über Wochen und Monate Belastungen auf
und bringen eine Art kumulative Ermüdung mit sich. Zu
einem gegebenen Zeitpunkt ist es aber sehr schwierig,
diese beiden Faktoren zu differenzieren.
2.
Relevante Zeitabstände für Diagnostik
Mit Blick auf wissenschaftliche Untersuchungen sind re-
levante Zeitabstände der Diagnostik festzulegen. Wenn
eine Studie zehn Stunden nach einem Spiel den Aus-
schlag eines Parameters feststellt und darin eine Ermü-
dung abbildet, ist dies für die Praxis meist irrelevant.
Denn zu diesem Zeitpunkt kommt die Ansetzung eines
Trainings meist gar nicht in Betracht. Die Aussage zur
Belastbarkeit eines Spielers ist etwa 2-3 Tage nach einer
Belastung praxisrelevant.
3.
Mangelnde Erholtheit ‡ Übertraining
Wissenschaftliche Studien sollten nicht zu mecha-
nistisch angelegt sein, d. h. auf der Grundlage zu deut-
licher Kontraste operieren. Einen Zustand völliger
Erholtheit mit einem Zustand des Übertrainings zu ver-
gleichen, bietet sich im Sinne praxisrelevanter Aussagen
nicht an. In der Regel liegen im Laufe einer Saison näm-
lich keine Zustände des Übertrainings vor. Ein Parame-
ter, der den Zustand des Übertrainings anzeigen kann,
taugt deshalb noch lange nicht, die „normale“ Ermüdung
nach einem Spiel abzubilden.