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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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Prävention von Leistenverletzungen – Core-Training
Auch für den Leistenbereich gilt, dass exzentrisches
Training eine Möglichkeit ist, um die Kraft effektiv zu
verbessern. In einer Studie mit 34 Regionalligaspielern,
die acht Wochen ein progressives Theraband-Training
(
Adduktoren) gemacht haben, wurde ein Gewinn an iso-
metrischer Kraft um 30% (17% relativ) nachgewiesen.
Eine verbesserte Kraft kann als positiver Faktor ange-
nommen werden, um das Verletzungsrisiko zu reduzie-
ren.
Respekt vor Spielregeln als Verletzungsprävention
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Ver-
letzungsprävention nicht nur ein trainingswissenschaft-
liches, sondern auch ein ethisches Thema ist. Denn für
20-47%
aller Verletzungen und 40-44% der Kopfverlet-
zungen sind Fouls verantwortlich.
Dieser Zusammenhang wurde nun zuletzt in der ersten
norwegischen Liga mittels der Studie „Stricter rule en-
forcement for late tackles and elbowing - an interven-
tion“ näher betrachtet. In Zusammenarbeit mit dem
Norwegischen Fußballverband, den Schiedsrichtern,
Spielern und Trainern wurden in den Jahren 2010 (Kon-
trollsaison) und 2011 (Interventionssaison) jeweils 240
Videoanalysen durchgeführt.
Praxisziel war, Fouls im Jahr 2011 angemessen hart zu
bestrafen und insbesondere Tacklings mit gestrecktem
Bein, zu spätes Tackling und absichtlich hochgestreckte
Ellenbogen mit der Roten Karte zu ahnden. Die Teams
sind vor der Saison 2011 von der strengeren Regelausle-
gung informiert worden. Damit war das Forschungsziel
verbunden, hierin auch einen Effekt der Verletzungs-
prävention im Vergleich zur Kontrollsaison zu indizieren.
Die Ergebnisse für 2011 im Vergleich zu 2010
keine Veränderung bei Verletzungen durch gefährliches
Spiel (kein allgemein verringertes Verletzungsrisiko)
geringeres Risiko von Kopfverletzungen
weniger Arm-Kopf-Aktionen
Eine Konsequenz aus der Studie ist die feste Veranke-
rung im Regelwerk, dass ein zu spätes Tackling zwin-
gend eine Rote Karte nach sich zieht. Das soll auf alle
Leistungsebenen übertragen werden.
Fazit zu den Präventionsprogrammen
Eine Verletzungsprävention ist systematisch möglich. In
dem Zusammenhang weisen die Gemeinsamkeiten ent-
sprechender Programme und Studien auf ein angemes-
senes konzeptionelles Vorgehen hin:
Knäkontroll“ – Präventionstraining für das Knie
Das Programm „Knäkontroll“ („Knie-Kontrolle“) ist die
weltweit größte Studie zur Verletzungsprävention. Es
haben daran 2009 in ganz Schweden 230 Clubs und
4.600
Spielerinnen teilgenommen. Das multimodale
Programm unterscheidet sich nicht wesentlich von
Die 11+“.
In der Studie wurde auch die „Compliance“ gemessen,
das kooperative Verhalten der Spielerinnen hinsichtlich
der Umsetzung der Anforderungen. Das ist ein sehr
wichtiger Faktor. 56% der Spielerinnen im Projekt ha-
ben mindestens einmal wöchentlich an diesem Mess-
Programm teilgenommen.
Ergebnis war u.a., dass im Rahmen des Zeitraums der
Studie 21 Spielerinnen mit Kreuzbandverletzungen zu
registrieren waren. Bemerkenswert ist nun, dass dies 14
Spielerinnen (67%) der Kontrollgruppe, aber nur 7 Spie-
lerinnen (28%) der Interventionsgruppe betraf. Es kann
mit Präventionstraining also ein um 64% niedrigeres
ACL-Verletzungsrisiko konstatiert werden. Besonders
minimiert ist das Risiko für Spielerinnen mit hoher Com-
pliance.
Präventionstraining für das Sprunggelenk –
sensomotorisches Training
In einer Studie im Iran wurden 80 Spieler mit einer
früheren Sprunggelenksverletzung in vier Gruppen ran-
domisiert. Drei Gruppen befassten sich entweder mit
sensomotorischem Training, Krafttraining oder Orthose.
Die vierte war die Kontrollgruppe.
Ergebnis war, dass das Verletzungsrisiko durch senso-
motorisches Training um 87% niedriger ist. Zwar sind
Zweifel an der Qualität der Studie nicht gänzlich von der
Hand zu weisen, aber das Ergebnis entspricht durchaus
den Erkenntnissen anderer Studien in den Sportarten
Handball und Basketball. Daher glaube ich an die Wirk-
samkeit sensomotorischen Trainings hinsichtlich der
Prävention von Sprunggelenksverletzungen.
Prävention im Kontext von Hamstrings: exzentrisches Training
Hinsichtlich der Hamstrings, einer große Verletzungs-
gruppe insbesondere im Männerfußball, wurde in einer
Studie mit 1000 Spielern der ersten und zweiten däni-
schen Liga zehn Wochen progressives exzentrisches
Training („Nordic Hamstrings“) durchgeführt. Es hat
sich im Vergleich mit einer Kontrollgruppe gezeigt, dass
exzentrisches Training das Risiko von Hamstringsverlet-
zungen um 73% reduzieren kann. Zudem verbessert die-
ses Training effektiver als konzentrisches Training die
Kraft in der Hamstringsmuskulatur – ein doppelter posi-
tiver Effekt hinsichtlich des Wettkampfs.