AUF DEN SPUREN DER NATIONALMANNSCHAFT • 2010
ABB. 1
EVIDENZ EINES WIRKSAMKEITSNACHWEISES
Level 1
systematische Überblicksarbeiten, zahlreiche
randomisiert-kontrollierte Studien
Level 2
zumindest eine randomisierte, kontrollierte Studie
Level 3
methodisch gute Studien, keine randomisierte
Gruppenzuweisung
Level 4a
klinische Berichte
Level 4b
Meinung respektierter Experten, basierend auf
klinischen Erfahrungswerten bzw. Berichten von
Experten-Komitees
Quelle: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin,
Berlin (vereinfachte Darstellung)
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dass Wissenschaftlichkeit bei derartigen Entscheidun-
gen die Oberhand behielt gegenüber kommerziellen
Überlegungen oder momentanen Trends. Daher ist es
nur logisch, dass dieser DFB-Kongress jene entsprechen-
den Überlegungen und Entwicklungen im Rahmen der
Nationalmannschaft exemplarisch darstellt, die Wegbe-
reiter sein können für andere Bereiche innerhalb und
außerhalb des Fußballs.
Seriöse Diskussionen
Eine wissenschaftliche Herangehensweise beinhaltet
auch, dass man alternative Konzepte nicht ignoriert,
sondern sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzt.
Insofern sollen Konzepte hier nicht nur präsentiert, son-
dern auch diskutiert werden. In diesem Sinne hoffe ich
auf einen abwechslungsreichen und neue Erkenntnisse
bringenden Kongress für alle Teilnehmer, Referenten
und Moderatoren.
Dabei sollten wir uns allerdings mit Aussagen wie „Wenn
der Sportler dieses Produkt einnimmt, wird seine Leis-
tung auch nur um 10% gesteigert“ zurückhalten.
Zunächst einmal darf man sich fragen, welche Fähigkeit
denn um 10% gesteigert werden soll. Die fußballspezifi-
sche Leistungsfähigkeit kann man jedenfalls nicht in
Prozenten beziffern. Und zweitens ist es völlig illuso-
risch, dass wir die Leistung bei Spitzensportlern um 10 %
steigern können. Solche Äußerungen disqualifizieren
sich demnach von selbst. Man muss sich aber trotzdem –
weil sie sehr medienwirksam sind – immer wieder damit
auseinandersetzen.
Gerne wird auch geäußert: „Alles, was die Leistung um
1%
steigert, muss umgesetzt werden.“. Das stimmt nicht.
Der Tag hat auch für Spitzensportler nur 24 Stunden.
Stopfen wir die Spieler mit Maßnahmen voll, dann hat ei-
ne Maßnahme, selbst wenn sie im Labor eine einprozen-
tige Leistungssteigerung produziert, unter Umständen
einen kontraproduktiven Effekt im Lebenszusammen-
hang dieser Spieler.
Wirksamkeitsnachweise im Fußball
Abbildung 1 zeigt vereinfacht die vom ärztlichen Zen-
trum für Qualität in der Medizin gebrauchten EBM-Krite-
rien (evidence based medicine) für Wirksamkeitsnach-
weise. Wollten wir diese im leistungsbezogenen Fußball
einfordern, haben wir ein Problem. Level 1 und 2 erfor-
dern randomisierte und kontrollierte Studien, die uns im
Fußball weitestgehend fehlen. Es ist sehr selten möglich,
solche Interventionsstudien durchzuführen. Wir sind al-
so häufig auf Analogieschlüsse aus niedrigeren Klassen
oder methodisch etwas weniger anspruchsvoll durchge-
führte Studien angewiesen. Doch auch diese Analogie-
schlüsse müssen wissenschaftlichen Plausibilitätskriteri-
en standhalten. Insofern kann man sicherlich nicht die
höchsten Maßstäbe ansetzen, aber man sollte versu-
chen, ihnen so nahe wie möglich zu kommen. Dieser
Grundsatz ist für unsere Referenten wesentliche Richt-
schnur ihres Handelns im Spitzenfußball.
Danksagung
Für die Ausrichtung und Unterstützung möchte ich dem
DFB-Präsidium und Präsident Dr. Theo Zwanziger eben-
so wie der AG Wissenschaft herzlich danken. Ein weite-
res Dankeschön gebührt Peter Laudenklos und Ulf
Schott für die perfekte Organisation.