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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 4
Titelthema
im Gegenteil durch sein Auftreten
sogar noch verstärkt werden kön-
nen.“ Dass man an dem eigenen
Auftreten arbeiten kann (und mög-
licherweise auch sollte), war eine
wichtige erste Lehre des Seminar-
tags.
Spiegeln“
des eigenen Auftretens
Dabei war es dem Experten Dostert
zunächst wichtig, den Spielleitern
ihr eigenes Auftreten bewusst zu
machen. „Ganz entscheidend ist
für mich bereits die Vorstellungs-
runde am Anfang des Workshops“,
erklärt er. „Hier kann ich den
Schiedsrichtern im Prinzip sofort
spiegeln, wie sie wirken. Viele wis-
sen gar nicht, wie eine gewisse
Gestik oder Haltung eigentlich
rüberkommt.“
Diese Analysen, bei denen Dostert
auch gerne die Schiedsrichter im
Plenum ihren Kollegen ein Feed-
back geben lässt, sind natürlich
auch auf die Sportplatz-Situation
übertragbar: „Wenn vor dem Spiel
ein Schiedsrichter auf den Platz
kommt, der leise spricht, den Blick
senkt und keinen festen Hände-
druck hat, dann habe ich mir als
Vereinsvertreter meinen ersten
Eindruck doch schon gebildet.“
Dostert schmunzelt, als er berich-
tet, wie er als aktiver Fußballer aus
solchen Situationen Kapital schla-
gen konnte: „Wenn so einer kam,
dann wusste ein erfahrener Spieler
doch: ‚Mit dem kann ich’s heute
machen!’ Dem müssen wir mit Kör-
persprache entgegenwirken.“
Man kann nicht nicht
kommunizieren
Körpersprache macht, erklärt
Christoph Dostert, 80 bis 85 Pro-
zent des eigenen Auftretens aus.
Der Dichter Christian Morgenstern
bemerkte dementsprechend schon
1906: „
Der Körper ist der Überset-
zer der Seele ins Sichtbare.“ Der
Kommunikations-Wissenschaftler
Paul Watzlawick ein paar Jahr-
zehnte später so lakonisch wie
treffend: „Man kann nicht nicht
kommunizieren.“ Insbesondere die
These Watzlawicks führt natürlich
dazu, dass man – gerade als
Schiedsrichter – unbewusst eine
Menge richtig, aber auch jede
Menge falsch machen kann.
Christoph Dostert nennt Beispiele:
Eine Abwehrbewegung, die abso-
lut verständlich sein kann, wenn
ich als Schiedsrichter bedrängt
werde, kann – falsch durchgeführt –
arrogant wirken, fehlender Augen-
kontakt mitunter herablassend.
Außerdem sollte ich mir immer
klarmachen, dass der Mensch
Zonen hat, in die niemand eindrin-
gen darf. Wenn ich zu nah an
einem Spieler dran stehe, löst das
in aufgeheizter Atmosphäre auto-
matisch Aggressionen aus.“
Nicht auf die Größe
kommt es an…
Dabei ist Körpergröße übrigens
nicht alles. Ilja Behnisch hatte in
seinem Artikel noch das Gardemaß
Manuel Gräfes hervorgehoben und
rhetorisch gefragt, ob als Konse-
quenz seiner exzellenten Spiellei-
tung jetzt „in der Bundesliga nur
noch groß gewachsene Ur-Berliner
an die Pfeife gelassen werden“.
Christoph Dostert müsste da wohl
widersprechen. „Auch wenn eine
gewisse Größe natürlich hilfreich
ist, ist die Dynamik einer Aktion
deutlich entscheidender. Wie gehe
ich in die Szene rein, mit welcher
Körpersprache und mit welchem
Auftreten löse ich beispielsweise
eine ,Rudel-Bildung’ auf?“, meint
der Experte. Lehrgangsteilnehmer
Marius Well gibt ihm recht. „Durch
die Übungen weiß ich jetzt, wie ich
Was zunächst aggressiv wirkt, kann sich im Nachhinein
durchaus als deeskalierend herausstellen. Der Schiedsrichter
befindet sich im Hochstatus und signalisiert deutlich: ‚Ich
werde in meinen Entscheidungen sehr konsequent sein.’“
Der Schiedsrichter findet sich hier in einer aggressiven Situation wieder“, erklärt Christoph
Dostert. „Er sollte versuchen, einen Schritt zurückzugehen und seine Hände eindeutig abweh-
rend zu positionieren.“