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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 4
Lehrwesen
Vier Fragen an Robert Hartmann
Die Praxis-Fragen zum Thema
„
Schwalben und andere Simula-
tionen“ beantwortet dieses Mal
Bundesliga-Schiedsrichter
Robert Hartmann.
Wie kann ich als Schiedsrichter
einen Stürmer entlarven, wenn
dieser mit einer „Schwalbe“
einen Strafstoß herausholen
möchte?
Robert Hartmann:
„
Schwalben“
sind oft an einem untypischen
Fallmuster der Spieler erkenn-
bar – nämlich dann, wenn eine
Bewegung vorgetäuscht wird,
ohne dass ein auslösender
Impuls erkennbar ist.
Ein wichtiger Fakt in diesem
Zusammenhang ist: Nicht jeder
„
Faller“, der keinen Strafstoß-
pfiff nach sich zieht, muss zwin-
gend eine „Schwalbe“ sein.
Manchmal geht ein Angreifer
auch im Zweikampf zu Boden,
ohne dass eine Täuschungsab-
sicht vorliegt. Dann ist „Weiter-
spielen“ die richtige Entschei-
dung.
Was kann ich als Schiedsrichter
bereits präventiv tun, um im
Strafraum eine Zweikampf-Situa-
tion richtig zu bewerten?
Hartmann:
Grundlage für die
korrekte Zweikampf-Beurteilung,
nicht nur im Strafraum, ist ein
gutes Stellungsspiel mit ausrei-
chender Nähe zum Spiel und
einem optimalen Blickwinkel zur
Situation. Welche Position die rich-
tige ist, ist situativ oft unter-
schiedlich.
Dennoch kann man sich als
Schiedsrichter bereits im Vorfeld
Gedanken machen: durch die Ana-
lyse von Spielzügen, aber auch
anhand der Eigenarten von Spie-
lern, wie diese in ihre Zweikämpfe
gehen. Dann kann man als
Schiedsrichter seine Position ent-
sprechend wählen und rechtzeitig
in Stellung laufen.
darf er eine „Schwalbe“ nicht nur
mit einem indirekten Freistoß für
den Gegner ahnden, sondern muss
auch zwingend die Gelbe Karte für
den Simulanten geben. So setzt
der Schiedsrichter ein Zeichen,
dass er gegen Täuschungsversu-
che rigoros vorgeht.
Welche Hilfestellung können die
neutralen Schiedsrichter-Assisten-
ten geben, wenn es um die Frage
geht: „Schwalbe“ – ja oder nein?
Hartmann:
Je nach Ort der Zwei-
kampfs haben die neutralen Assis-
tenten die Möglichkeit, die Situa-
tion noch einmal aus einer ande-
ren, zusätzlichen Perspektive zu
beurteilen.
Insbesondere wenn der Schieds-
richter von „hinten“ auf eine Situa-
tion schaut, kann der Assistent
durch seine Seiteneinsicht einen
wichtigen Hinweis liefern – ob bei-
spielsweise der Ball vom Verteidi-
ger gespielt wurde, ob ein Foul-
spiel oder ob eine „Schwalbe“ vor-
lag.
Durch eine gezielte Absprache vor
dem Spiel, speziell für solche Situa-
tionen, kann das Schiedsrichter-
Team dann zur richtigen Entschei-
dung kommen.
Eine andere Form der Simulation
kann vorliegen, wenn ein Spieler
eine Verletzung vortäuscht, wäh-
rend sein Team kurz vor Schluss in
Führung liegt. Wie sollte ich als
Schiedsrichter agieren, wenn
ich eine solche Simulation ver-
mute?
Hartmann:
In solchen, meist
hektischen Situationen sollte
der Schiedsrichter kühlen Kopf
bewahren. Das heißt, Erstbe-
handlung des Spielers auf dem
Feld zulassen und die Betreuer
deutlich auffordern, die Behand-
lung danach außerhalb des
Spielfelds fortzusetzen.
Oftmals hilft es, proaktiv den
reklamierenden Spielern des in
Rückstand liegenden Teams
klarzumachen, dass die verloren
gegangene Zeit nachgespielt
wird. Dies muss der Schiedsrich-
ter dann natürlich auch konse-
quent tun und möglicherweise
auch eine bereits angezeigte
Nachspielzeit noch einmal ver-
längern.
„
Fallbewegung ohne Impuls“
Robert Hartmann (35) pfeift
seit 2011 in der Bundesliga.
Zusätzlich ist es hilfreich, sich
grundsätzlich mit Fallmustern aus-
einanderzusetzen und Kriterien im
Kopf zu speichern, die man wäh-
rend des Spiels abrufen kann.
Merkt der Schiedsrichter während
des Spiels, dass Spieler ihn
bewusst täuschen wollen, dann
Im Duden wird das Wort „simulie-
ren“ definiert als „lügen, vorma-
chen als ob, vorgaukeln, vorgeben,
so tun als wenn, vorspielen, vor-
täuschen, schauspielern“. Daran
wird deutlich, dass solch ein Ver-
halten versteckt und mit allen Raf-
finessen durchgeführt wird.
Der Schiedsrichter, alle anderen
Spieler, die Offiziellen, die Fans
und auch die Medien sollen also
getäuscht werden, damit der Spie-
ler für sich und seine Mannschaft
durch diesen Betrug am Fußball
einen Vorteil bekommt.
Dem Schiedsrichter wird es nur
dann gelingen, dies zu erkennen,
wenn er jederzeit mit solch einem
taktischen Mittel seitens einzelner
Spieler rechnet, über ein ange-
messenes Maß an Erfahrung
verfügt und auf der Grundlage
einer guten körperlichen Verfas-
sung das jeweils passende Stel-
lungsspiel zum Geschehen ein-
nimmt.
Hat der Unparteiische eine solche
Simulation erkannt, dann muss er
mit der nötigen Konsequenz bei
der Persönlichen Strafe sowie der
entsprechenden Spielstrafe ein-
greifen. Arbeitet der Unpartei-
ische im Team mit seinen Assis-
tenten, so kommt diesen bei der
Zusammenarbeit eine besondere
Bedeutung zu.
Die Verfasser der Lehrbriefe
haben die Schwierigkeiten
erkannt, die einem Unparteiischen
aus den Schauspielkünsten man-
cher Spieler erwachsen und
diese Problematik deshalb im
Lehrbrief 57 bearbeitet. Sie geben
methodische Hilfestellungen für
die Lehrarbeit und zeigen an kon-
kreten Videobeispielen auf, wie
solche Simulationen zu erkennen
sind.
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