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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 4
Blindenfußball
„
Wie eine große Familie“
Zum Fußballspielen ist nicht jeder berufen – das wissen viele Schiedsrichter aus leidvoller Erfahrung.
Wie aber spielt man Fußball, wenn man weder den Ball sieht, noch das Tor, Gegenspieler oder auch den
Schiedsrichter? Und wie pfeift man ein solches Spiel? SRZ-Mitarbeiterin Bianca Riedl hat sich auf die
Suche nach Antworten gemacht – beim ersten Saison-Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga.
Start in die neue Saison der Blindenfußball-Bundesliga – die Anforderungen an die Schiedsrichter sind andere als beim „norma-
len“ Fußball.
S
orry, hab‘ dich nicht gesehen.“
Entschuldigend hebt der Spie-
ler die Hand in Richtung des
Schiedsrichters, macht auf dem
Absatz kehrt und sprintet weiter,
dem Ball hinterher. Eine Situation,
wie sie tagtäglich auf allen Fuß-
ballplätzen der Welt zu beobach-
ten ist. Es gibt wohl keinen Schieds-
richter, der noch nicht unabsicht-
lich angerempelt wurde – und doch
ist hier nichts, wie es scheint.
Es ist erstaunlich warm an diesem
Samstag im Mai, die Sonne strahlt
bereits und lässt einen heißen Mit-
tag erahnen. Während die Spieler
über den Rasen rennen, dringen
ungewöhnliche Geräusche an das
Ohr des Betrachters: ein gedämpf-
tes Rasseln, das bei jedem Schuss
deutlich zu hören ist und vom Ball
auszugehen scheint.
Laute Rufe mit unverständlichen
Kürzeln wie „sechs zwei“ oder
dem kontinuierlich wiederholten
Wort „Voy“, das aus einer anderen
Sprache zu stammen scheint und
dessen Sinn sich dem Verständnis
des Betrachters auf den ersten
Blick entzieht. Bei genauerem Hin-
sehen fällt auch der aus Puzzletei-
len zusammengesetzte Kunstra-
sen unter den Füßen der Spieler
auf, der von einer breiten Bande
eingerahmt wird.
Im Umfeld stehen keine Bäume,
kein Waldstück und auch keine
Felder, sondern steinerne Stufen,
die zu einem großen Gebäude aus
rotem Sandstein hinaufführen –
mit frontalem Blick auf den stei-
nernen Gutenberg auf seinem
Sockel.
Nein, wir befinden uns auf keinem
gewöhnlichen Fußballfeld, sondern
auf dem Gutenbergplatz, mitten in
der Mainzer Innenstadt.
Aber nicht nur die Kulisse, auch
das Spiel ist kein gewöhnliches.
Die bummelnden Passanten,
die heute ihren Samstags-Einkauf
erledigen, werden nämlich Zeugen
einer ganz besonderen Veranstal-
tung: des ersten Saison-Spieltags
der Blindenfußball-Bundesliga.
Die Fußballer auf dem Platz sind
blind oder zumindest sehbehin-
dert. Damit alle die gleichen
Voraussetzungen haben, trägt
jeder Spieler eine Dunkelbrille,
die die Wahrnehmung von Hell-
Dunkel-Unterschieden unter-
bindet.