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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 4
Lehrwesen
Berührt ein Spieler mit seiner Hand den Ball, verlangen die Gegenspieler meistens den Pfiff
des Schiedsrichters. Doch der erfolgt nur, wenn das Handspiel absichtlich geschah.
Die Diskussion um die Hand
Vor allem in der abgelaufenen Spielzeit gab es viele Missverständnisse darüber, wann ein Hand-
spiel absichtlich ist und wann nicht. So erscheint der aktuelle DFB-Lehrbrief Nr. 56 zum Thema
„
Das Handspiel in aktueller Auslegung“. Günther Thielking stellt den Inhalt des Lehrbriefs vor.
T
oleranz, Respekt, Fair Play –
mit diesen Begriffen macht die
FIFA seit Jahren deutlich, dass sie
Unsportlichkeiten und brutales
Spiel gegen den Gegner, aber auch
Aggressionen gegenüber dem
Unparteiischen nicht duldet.
Bei vielen Begegnungen der Welt-
meisterschaft in Brasilien konnten
die Zuschauer erleben, wie sich
Spieler und Funktionäre an diese
Vorgaben hielten: So gingen in
zahlreichen Spielen die Trainer der
beteiligten Mannschaften nach
dem Schlusspfiff aufeinander zu
und reichten sich die Hand.
Genauso war zu beobachten, dass
sich Spieler nach einem Foul wie-
der auf die Beine halfen, den Pfiff
des Schiedsrichters akzeptierten
und sich vom Geschehen entfern-
ten. Doch solche Szenen blieben
bei der Berichterstattung oft nur
Randnotizen.
Für Schlagzeilen sorgten dagegen
die fehlerhaften Entscheidungen
einiger Schiedsrichter. Sie wurden
gleichsam wie auf dem Seziertisch
in Zeitlupe, Standbild und 3-D-Auf-
nahme zerlegt.
Falsch bewertete Abseits-Situatio-
nen und nicht erkannte Handspiele
wurden von den Experten analy-
siert. Dabei ist das Handspiel an
sich nicht verboten. Nur wenn
nach Auffassung des Unpartei-
ischen die Absicht dahinter steht,
sich mit dieser Spielweise einen
Vorteil zu verschaffen, muss der
Referee eingreifen. Dies jedoch ist
vielen Fußballfans und selbst man-
chen Medienvertretern nicht
bekannt.
Das Schiedsrichter-Team um
Howard Webb erkannte ein solches
absichtliches Handspiel sehr gut
im Achtelfinalspiel Brasilien gegen
Chile. In der 54. Minute konnte
Givanildo Vieira de Souza den auf-
springenden Ball nur mit dem
rechten Oberarm unter Kontrolle
bringen. Anschließend beförderte
der besser unter dem Namen Hulk
bekannte brasilianische Spieler
das Leder mit dem rechten Fuß ins
Tor von Chile.
Für den englischen Referee war
das Spiel mit dem Arm kaum zu
erkennen. Sein sehr gut postierter
Assistent jedoch zeigte dies sofort
an, und der Treffer wurde zu Recht
nicht gegeben.
Für negative Schlagzeilen in
Sachen absichtliches Handspiel
sorgte noch bei der WM im Jahr
2010
Luis Suárez. Musste der
Nationalspieler aus Uruguay dies-
mal nach einer Beißattacke im
Spiel gegen Italien vorzeitig abrei-
sen, war in Südafrika für ihn nach
dem Viertelfinale gegen Ghana
Schluss. Damals wehrte er in der
Schlussminute der Verlängerung
einen Ball auf der Torlinie mit bei-
den Händen ab und bekam die
Rote Karte.
Den Strafstoß setzte der Ghanaer
Asamoah Gyan an die Latte,
Uruguay erreichte dank dieses
absichtlichen Handspiels ein 0:0
und gewann im anschließenden
Elfmeterschießen. „Es war die
beste Torwartparade der WM“,
witzelte anschließend der Fußball-
star vom Team der Celeste.
Kommt es zu solch einem absicht-
lichen Handspiel, so hat der Schieds-
richter zwingend eine Persönliche
Strafe auszusprechen. Bei klarer
Torverhinderung gibt es folglich
„
Rot“ und bei einem Handspiel,
das als Unsportlichkeit anzusehen
ist, kommt „Gelb“.
Gerade die internationalen Refe-
rees müssen bei solchen Aktionen
ihrem Vorbildcharakter nachkom-
men. Legen die Spitzen-Schieds-
richter im bezahlten Fußball die
Regeln großzügiger aus, hat das
Folgen für die Unparteiischen an
der Basis. Sie stehen dann rasch in
der Kritik und bekommen zu hören:
„
Bei der Weltmeisterschaft und in
der Bundesliga wird aber großzügi-
ger entschieden als in der Kreisliga.“