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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 4
an die beiden negativsten Erleb-
nisse seiner langen Laufbahn, die
ihm nach so langer Zeit aber inzwi-
schen sogar ein leises Schmunzeln
entlocken können.
Insgesamt überwiegen sowieso die
positiven Erinnerungen. Am 6. Sep-
tember 1981 bestand er seine Feuer-
taufe als Spielleiter in der Bezirks-
liga (damals dritthöchste Spiel-
klasse) vor knapp 1.000 Zuschauern.
Gut 10.000 mehr waren es sogar
eine Woche später bei seinem
ersten Linienrichter-Einsatz in der
DDR-Liga, der damals zweithöchs-
ten Spielklasse.
15
DDR-Mark gab es damals für ein
Liga-Spiel, 20 waren es in der
höchsten Spielklasse, der Oberliga.
Doch nicht nur als Aktiver, auch an
der ehrenamtlichen Basis gab es
zu Beginn der 80er-Jahre einiges
zu tun. In dieser Zeit Schiedsrich-
ter-Ansetzer zu sein, bedeutete in
erster Linie: Postkarten schreiben.
Was man sich heutzutage schwer
vorstellen kann: In der DDR der
80
er-Jahre hatte nur rund ein
Viertel der Haushalte einen Tele-
fonanschluss. Das bedeutete
natürlich, dass kurzfristige Anset-
zungen nur an Telefoninhaber
gehen konnten, da man für eine
Postkarte stets zwei Tage Laufzeit
einplanen musste. Kurzfristige
Spielrückgaben erfolgten meist
von der Telefonzelle aus.
Obwohl auch Dietmar Neubert zu
denen zählte, die noch kein eige-
nes Telefon besaßen, hatte er für
die Ansetzungs-Tätigkeit dennoch
ein optimales Umfeld: „Ich habe
viele Jahre als Hausmeister an
einer Schule gearbeitet und hatte
das Glück, dort das Schultelefon
benutzen zu dürfen. Ein absolutes
Privileg war, dass ich sogar einen
eigenen Dienstanschluss mit sepa-
rater Rufnummer hatte - eine Sel-
tenheit in der DDR! Erst als ich
schließlich 1984 Haupt-Ansetzer im
Kreisfachausschuss Karl-Marx-
Stadt wurde, bekam ich auch mei-
nen eigenen Privatanschluss.“
Mit dieser Beförderung, drei Jahre
nach der ersten Berufung in einen
Ausschuss, hatte Dietmar Neubert
plötzlich statt der rund 25 Jung-
Schiedsrichter mehr als 100
Referees aller Altersklassen unter
seinen Fittichen.
Erleichtert wurde die Arbeit der
Einteiler in diesen Jahren durch das
vor der Saison herausgegebene
Ansetzungsheft, in dem neben den
Spiel- auch die Schiedsrichter-
Ansetzungen für eine komplette
Halbserie abgedruckt waren. Im
Winter gab es dann einen erneuten
Rundbrief mit den Einteilungen für
die Rückrunde.
Was gut gedacht war, funktionierte
in der Praxis nicht immer hundert-
prozentig. „In den Jahren 1981 bis
1990
habe ich trotz des Hefts im
Schnitt rund 50 Ansetzungskarten
pro Woche schreiben müssen. Das
lag vor allem daran, dass wegen
der relativ langen Periode natür-
lich häufig Umbesetzungen
zustande kamen“, berichtet Neu-
bert aus seinen Anfangsjahren.
Neben seiner ehrenamtlichen
Laufbahn war er auch weiterhin
als Schiedsrichter in der Bezirks-
liga unterwegs. Der damalige
Ansetzer des Bezirks Karl-Marx-
Stadt war damit gleich in zweierlei
Hinsicht sein ‚Chef‘. „Bevorteilt hat
mich Heinz Donner aber nie. Er
hat, ganz im Gegenteil, sehr darauf
geachtet, dass unter den anderen
Bezirksliga-Schiedsrichtern keine
Diskussion aufkam, dass der Neu-
bert besonders viele oder gute
Spiele erhält, nur weil er Ansetzer
im Kreis ist.“
Dennoch brachte es Dietmar Neu-
bert bis zur politischen Wende auf
98
Einsätze als Schiedsrichter in
der Bezirksliga und auf 36 als
Linienrichter in der DDR-Liga.
Ohne die Unterstützung seiner
Frau, das weiß er ganz sicher, wäre
es ihm unmöglich gewesen, Akti-
ven- und Funktionärs-Tätigkeit
...
verwalten die Ansetzer heutzutage die Spielaufträge
elektronisch.
Während seiner Ansetzer-Tätigkeit hat Dietmar Neubert
schätzungsweise rund 63.000 Spielansetzungen verschickt.
Es gibt immer
wieder Sportfreunde, die
sich ungerecht behandelt
fühlen. Aber eine hun-
dertprozentige Gleichheit
für alle Schiedsrichter im
Ansetzungs-Bereich kann
es nicht geben.
Dazu muss der Ansetzer
zu viele Dinge berück-
sichtigen.
“
(
Dietmar Neubert)
„
unter einen Hut zu bringen. Edel-
traud Neubert war nämlich nicht
nur ab und an als Retterin in der
Not im Einsatz, sondern hatte auch
regelmäßig Rufbereitschaft am
Wochenende, wenn der Mann
selbst im Einsatz war.
Dass dabei mancher Schiedsrichter
bewusst Spiele am Wochenende
zurückgab, weil Edeltraud Neubert
diesen Absagen stets mehr Ver-
ständnis entgegenbrachte als ihr
Ehemann, will indes keiner der bei-
den bestätigen.
Der Fall der Mauer brachte
anschließend einige Veränderun-
gen: Der DFV (Deutscher Fußball-
Verband der DDR) gehörte schon
bald der Vergangenheit an, Karl-
Marx-Stadt hieß wieder Chemnitz,
das Porto für die Postkarte stieg
von 5 auf 40 Pfennige, und endlich
gab es nun auch für Schiedsrichter
in den neuen Bundesländern ein-
heitliche Trikots, Hosen und Stut-
zen zu kaufen.
Für die Ansetzer blieb aber
zunächst alles beim Alten. Durch
die neue Struktur der Ligen wur-
den zwar viele Schiedsrichter in
neue Klassen eingestuft, abgese-
hen von der Vergütung mit der
D-Mark gab es aber kaum Verände-
rungen. Es hieß weiter: fleißig
Postkarten schreiben. Der einzige
Unterschied: Das DFV-Logo ver-
schwand bald und wurde durch das
des DFB ersetzt.
Deutlich erleichtert wurde die
Arbeit der Ansetzer dann aber
“