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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 4
Porträt
durch die verbesserte Dichte des
Telefonnetzes Anfang der 90er-
Jahre. „Etwa 1993 habe ich das
erste Mal ein Mobiltelefon in der
Hand gehalten. Meine anfängliche
Skepsis wich recht schnell einer
leichten Begeisterung für die
damit wachsende Unabhängigkeit
vom heimischen Festnetz“, berich-
tet Dietmar Neubert.
Und mit einem Augenzwinkern
fügt er hinzu: „Auch meiner Frau
war es somit möglich, ihre
wochenendlichen ‚Telefondienste‘
im Eiscafé oder im Kaufhaus zu
verbringen. Ihre beziehungsweise
meine Unterlagen hatte sie bei
diesen Diensten stets in der Hand-
tasche dabei.“
1996
wurde dann unverhofft die
Position des Ansetzers im Bezirks-
verband Fußball Chemnitz vakant.
Eigentlich der perfekte Job für
Dietmar Neubert, doch es gab ein
Problem: Die Statuten ließen es
nicht zu, dass ein in den Spielklas-
sen aktiver Schiedsrichter seine
Kollegen selbst zu den Spielen ein-
teilt.
Doch der Bezirk traf eine Rege-
lung, um den engagierten Ansetzer
ins Boot holen zu können: „Da
meine Zeit als Bezirksliga-Schieds-
richter 1999 altersbedingt sowieso
ablief, wurde durch den Vorstand
eine Ausnahmeregelung beschlos-
sen, und so konnte ich das Amt zu
Beginn der Saison 1996/1997 über-
nehmen“, erinnert sich Neubert.
„
Mir war natürlich klar, dass es
eine besondere Situation war, da
ich mich ja auch selbst ansetzen
konnte. Da hat mir meine Frau
eben manchmal eine Ansetzungs-
karte geschrieben und mir am
Abend auf den Schreibtisch gelegt,
um mein Gewissen zu beruhigen.“
Als „sehr schöne Zeit“ bezeichnet
Dietmar Neubert diese Jahre im
BVF Chemnitz. Auch das tägliche
Geschäft wurde dem Ansetzer
erleichtert: „Die Einsatzbereit-
schaft und Zuverlässigkeit der
Schiedsrichter war höher, Anset-
zungskarten waren vorgedruckt.
Ich musste größtenteils nur noch
ankreuzen. Außerdem gab es nun
Adressaufkleber. Hatte man früher
vielleicht fünf bis sechs Minuten
für eine Karte gebraucht, so war
man jetzt in zwei Minuten fertig.“
Die so entstandene Extrazeit nutzte
Neubert mitunter auch für persön-
liche Botschaften: „Manchmal
schrieb ich den Empfängern ein
paar nette Worte mit auf die Karte.
Wenn Schiedsrichter beispiels-
weise aus Altersgründen ihre letzte
Ansetzung in einer Spielklasse
erhielten. Oder es gab für besonders
verdienstvolle und zuverlässige
Sportfreunde zum Geburtstag
auch mal eine ‚Wunschansetzung‘
mit persönlicher Widmung vom
Ansetzer.“
Mit der Leitung des Bezirkspokal-
finales 1999 endete Dietmar Neu-
berts Karriere als Bezirksliga-Refe-
ree altersbedingt nach 18 Jahren
und rund 200 Einsätzen in dieser
Spielklasse. Fortan pfiff er in der
Bezirksklasse weiter, denn: „Mit 50
fühlte ich mich einfach noch viel zu
fit zum Aufhören.“
Doch nicht nur in seiner aktiven
Tätigkeit, auch im ehrenamtlichen
Bereich begann Anfang des neuen
Jahrtausends eine neue Ära: die
Zeit der kurzfristigeren Ansetzun-
gen mittels monatlichem Zirkular-
brief im Landesverband – eine Her-
ausforderung für die untergeord-
neten Bezirks-Ansetzer.
Gegen die nächste Innovation im
Laufe der Jahrzehnte wirkte der
Zirkularbrief aber noch harmlos.
Es war Anfang 2005, als Dietmar
Neubert bei einer Ausschuss-Sit-
zung erstmals den Begriff ‚DFBnet‘
aufschnappte.
Dass der damals 55-Jährige schon
wenige Monate später vor der Wahl
stand, sich entweder einen Compu-
ter anzuschaffen oder aber seine
Ansetzer-Tätigkeit beenden zu
müssen, wäre ihm in dieser Sitzung
nicht im Traum eingefallen. „Ich
hatte bis dahin einfach null Berüh-
rungspunkte mit einem Computer,
war negativ eingestellt und habe
wirklich überlegt, das Ganze hinzu-
schmeißen. Meine Frau Edeltraud
und mein Sohn Lars haben mich
Schiedsrichter:
seit 42 Jahren
Einsätze:
circa 2.750
Ansetzer:
seit 32 Jahren
Verbrachte Zeit für‘s Ansetzen:
circa 42.000 Stunden = 1.750 Tage =
4,8
Jahre (bei 20 Stunden pro Woche)
Geschriebene Ansetzungskarten:
circa 63.000 (bei 30 pro Woche)
Ehrungen:
1985:
Verdienstnadel in Bronze
des Deutschen Fußball-
Verbandes der DDR
1996:
Verdienstnadel in Silber
des Sächsischen Fußball-
Verbandes
2006:
Verdienstnadel in Gold
des Sächsischen Fußball-
Verbandes
Zur Person
Dietmar Neubert
am Ende überzeugt, es zu versu-
chen, auch weil ich wusste, dass
mein Junge sich auskannte und
mir helfen würde.“
Und so kam es. Mit familiärer
Unterstützung führte Neubert zu
Beginn der Rückrunde 2005/2006
die ersten Probeansetzungen im
DFBnet durch, bevor es mit der
Saison 2006/2007 sein Hauptar-
beitsmittel wurde. Parallel dazu
schrieb er aber noch immer um die
15
bis 20 Karten pro Woche an die
Schiedsrichter ohne E-Mail-Adresse.
Im Laufe der Arbeit mit dem
elektronischen Helfer wich seine
anfängliche Skepsis dabei recht
schnell: „Wenn ich vorher Montag
um 18 Uhr eine Karte geschrieben
habe, war die am Dienstag in der
Post und am Mittwoch beim Emp-
fänger. Jetzt machte ich um 18 Uhr
eine Ansetzung im DFBnet und hatte
manchmal schon um 18.03 Uhr die
Bestätigung!“
Anfang 2007 entfielen dann die
Schiedsrichter-Ansetzungen im
Heft komplett. Dennoch gab es bis
2010
immer noch zwei Schiedsrich-
ter, die per E-Mail nicht erreichbar
waren und für die Dietmar Neubert
Dietmar Neubert ist
auch im Alter von 64
Jahren noch für den
FSV Zwickau aktiv im
Einsatz, meist als
Schiedsrichter-Assis-
tent.
Mit Hilfe seines Sohns Lars wagte sich der Chemnitzer erst-
mals an einen Computer heran.