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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 4
Analyse
Während der Ball durch die Luft
fliegt, berühren sich knapp inner-
halb des Torraums Ramos und Tor-
wart Schäfer
(
Foto 4b),
als sie
beide nach oben zum Ball (siehe
Pfeil) schauen. Der ist noch drei
Sekunden unterwegs, bis ihn der
auf der Torlinie hochspringende
Nürnberger Ondrej Petrak mit dem
rechten Arm über dem Kopf ab-
wehrt
(
Foto 4c).
Der Schiedsrich-
ter pfeift sofort, entscheidet auf
Strafstoß und stellt Petrak wegen
der Torverhinderung durch ein
absichtliches Handspiel vom Feld.
Nach einer Intervention seines
Assistenten über das Headset und
einem kurzen direkten Gespräch
zwischen den beiden nimmt der
Unparteiische sowohl die Rote
Karte als auch den Strafstoß
zurück und gibt stattdessen einen
indirekten Freistoß wegen einer
angeblich strafbaren Abseitsposi-
tion von Ramos.
Die Herausforderung für die Un-
parteiischen liegt in dieser Situa-
tion in der Anwendung des regel-
technischen Begriffs „Zweikampf
um den Ball“. Die zentrale Frage
ist, ob der Körperkontakt zwi-
schen dem Berliner Ramos und
dem Nürnberger Torwart am Tor-
raum einen solchen Zweikampf um
den Ball darstellt (der dazugehörige
Text in Regel 11 lautet seit dem
1.
Juli 2013: „…den Gegner angreift,
um den Ball spielen zu können“).
Da sich der Ball nicht in der Nähe
der Spieler, sondern – ganz im
Gegenteil – noch hoch in der Luft
befindet, kann das hier nicht der
Fall sein. Und ein Foulspiel von
Ramos liegt auch nicht vor, sodass
die Einschätzung des Assistenten
falsch war und der Schiedsrichter
zunächst mit „Rot“ und Strafstoß
richtig gelegen hatte.
Anders ausgedrückt: Wenn der
Nürnberger den Schuss von Ronny
nicht mit dem Arm abgewehrt
hätte und der Ball stattdessen
direkt ins Tor gegangen wäre,
hätte dieser Treffer zählen müssen.
***
Was die schon genannte Regeltext-
Formulierung „…den Gegner
angreift, um den Ball spielen zu
können“ bedeutet, lässt sich auch
gut anhand einer Szene aus dem
Spiel
Bayer Leverkusen gegen
den VfB Stuttgart
zeigen, das
ebenfalls am
19.
Spieltag
stattfand.
Als der Leverkusener Sidney Sam
einen Freistoß aus halbrechter
Position zentral in den Strafraum
der Stuttgarter schlägt, steht sein
Kollege Simon Rolfes im Abseits
(
Foto 5a).
Aus dieser Position läuft
er los und springt in ein Kopfball-
Duell um den Ball mit dem Stutt-
garter Daniel Schwaab. Auch wenn
letztlich Stefan Kießling, der sich
in unmittelbarer Nähe befindet,
den Ball aufs Tor köpft
(
Foto 5b),
greift Rolfes in das Spiel ein, weil
er „…den Gegner angreift, um den
Ball spielen zu können“. Deshalb
ist seine Abseitsposition strafbar.
***
Ronny (ganz links) schlägt den Ball Richtung Tor, Ramos steht
im Abseits.
Ramos berührt Torwart Schäfer (im Lichtkegel), der Ball ist
noch hoch in der Luft (Pfeil) .
Der Nürnberger Petrak wehrt den Ball auf der Torlinie mit der
Hand ab.
Beim Freistoß des Leverkuseners Sam steht Rolfes im Abseits.
Aus der Abseitsposition heraus ist Rolfes (Nr. 6) in einen Kopf-
ball-Zweikampf mit dem Stuttgarter Schwaab gesprungen.
Foto 4a
Foto 4b
Foto 4c
Foto 5a
Foto 5b