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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 4
Abwehrspieler den Ball annahm
(
Foto 2c).
Die Situation „gefährliche Straf-
raumszene“ (mit den Folgen Straf-
stoß und notwendiger Persön-
licher Strafe), die Schiedsrichter
Siebert angesichts des schlampi-
gen Querpasses von Pinola her-
aufziehen sah, war also eingetre-
ten. Und von ihm perfekt gelöst
worden.
***
Auch in der dritten Szene geht es
um eine „Ahnung“. Die hat aller-
dings nichts mit einer Antizipation
im beschriebenen Sinn zu tun. Es
geht nämlich nicht darum, was
passieren könnte, sondern um
etwas, das schon passiert ist. Es
handelt sich dabei um eine Szene
aus dem Spiel
Eintracht Frankfurt
gegen den VfB Stuttgart (23. Spiel-
tag).
Beim Versuch, im Stuttgarter Straf-
raum von rechts in eine zentralere
Position zu kommen, um aufs Tor
schießen zu können, legt sich der
Frankfurter Tranquillo Barnetta
den Ball etwas nach links vor, damit
aber auch in die Laufrichtung des
Stuttgarters Cacau
(
Foto 3a).
Es
kommt zu einem Zweikampf dieser
beiden Spieler um den Ball, bei
dem beide zu Fall kommen. Dabei
beantwortet sich der Schiedsrich-
ter die Fragen: „Wer hat den Ball
gespielt, wer ist gefoult worden?“
zunächst falsch. Er gibt einen
Strafstoß für Eintracht Frankfurt.
Der wirkliche Ablauf war so: Cacau
ist einen Wimpernschlag eher am
Ball, spitzelt ihn weg und wird
unmittelbar darauf von Angreifer
Barnetta am Fuß getroffen
(
Foto 3b).
Deshalb sieht es nur eine Viertel-
sekunde (!) später so aus, als ob
Cacau sein Bein vor den Fuß von
Barnetta gestellt hat
(
Foto 3c),
so
den Frankfurter am Schuss hin-
dert und ihn damit zu Fall bringt.
Aber es sieht eben nur so aus…
Was in den nächsten Sekunden
passiert, kennt jeder Schiedsrich-
ter: Die betroffene Mannschaft
protestiert. Nun muss der Unpar-
teiische seine getroffene Ent-
scheidung durchsetzen. Was aber,
wenn ihn im selben Moment Zwei-
fel an der Richtigkeit des Pfiffs
beschleichen: Habe ich die Situa-
tion wirklich korrekt wahrgenom-
men?
Wie gut, wenn man dann einen
ebenso aufmerksamen wie muti-
gen Assistenten an der Seite hat.
Der Unparteiische läuft also zu
ihm hin, um den Sachverhalt kurz
zu besprechen
(
Foto 3d).
In einer
solch wichtigen und kniffligen
Situation ist das direkte Gespräch
zwischen Schiedsrichter und Assis-
tent sinnvoller als die alleinige
Kommunikation über das Headset.
Und der Assistent bestätigt sei-
nem „Chef“, dass nach seiner
Ansicht zunächst Cacau den Ball
berührt hat und unmittelbar
danach vom Fuß des Frankfurters
getroffen wurde.
Der Schiedsrichter nimmt mit kla-
rer Gestik seine Entscheidung
zurück und lässt das Spiel mit
einem direkten Freistoß aus dem
Strafraum der Stuttgarter fortset-
zen. Natürlich ist es immer ärger-
lich, wenn man etwas falsch wahr-
genommen hat, zumal es hier um
die Frage „Strafstoß – ja oder nein?“
geht. Letztlich kommt es aber dar-
auf an, dass im Team die richtige
Entscheidung getroffen wird,
bevor das Spiel falsch fortgesetzt
wird. Und das war hier der Fall.
***
Auch in dieser Ausgabe gehen wir
wieder auf die Abseits-Problema-
tik ein, um mit Hilfe von vier wei-
teren Szenen die vom Internatio-
nalen Regel-Gremium IFAB zu
Beginn der laufenden Saison fest-
geschriebene Auslegung der Regel 11
weiter zu vertiefen. Zunächst geht
es um eine Situation im Spiel
Hertha BSC gegen den 1. FC Nürn-
berg (19. Spieltag).
Nachdem Nürnbergs Torwart
Schäfer weit links im Strafraum
den Ball abgewehrt hat, schießt
ihn Hertha-Spieler Ronny aus rund
30
Metern als Bogenlampe aufs
Tor. In diesem Moment steht sein
Teamkollege Ramos deutlich im
Abseits
(
Foto 4a).
Schiedsrichter und Assistent besprechen die Szene, um zu
einer sicheren Entscheidung zu kommen.
Einen Sekundenbruchteil später tritt Barnetta Cacau gegen
die Wade. Beide kommen zu Fall.
…
als Cacau von links kommt und ihm den Ball wegspitzelt.
Foto 3b
Foto 3c
Foto 3d