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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 4
dennoch Klarheit und viel Gespür
für die Temperatur des Spiels mit-
bringen. Denn es wird in solchen
Spielen fast immer Situationen
geben, in denen er sich als wahrer
Spiel-Leiter“ erweisen muss.
Das war auch im Bundesliga-Top-
spiel
Borussia Dortmund gegen
Bayern München (13. Spieltag)
der
Fall: Der Dortmunder Kevin Groß-
kreutz und Bayern-Stürmer Mario
Mandzukic geraten in einen Kon-
flikt. Großkreutz neigt sich mit dem
Kopf voran zum am Boden sitzen-
den Mandzukic und berührt ihn
provozierend. Der steht auf und
geht nun seinerseits auf den Dort-
munder zu, schiebt dabei den Kopf
nach vorne. Der Vorgang wieder-
holt sich, wobei allerdings von bei-
den Spielern keine Ausholbewe-
gung im Sinne eines Kopfstoßes
erfolgt
(
Foto 6a)
.
Daher ist die Gelbe Karte für beide
Spieler hier eine angemessene
Sanktion. Aber das allein reicht in
einem solch bedeutenden Spiel
manches Mal nicht aus, um die
Gemüter auf Dauer zu beruhigen.
Der Schiedsrichter schafft es hier
trotzdem, weil er die Ruhe bewahrt
und sich die Zeit nimmt, die Situa-
tion nachhaltig zu klären. Wichtig
sind in einem solchen Fall eine
unmissverständliche Botschaft an
die Spieler und ein klar geordneter
Ablauf beim Aussprechen der bei-
den Verwarnungen.
Nachahmenswert auch, wie er in
seiner „Ansprache“ immer wieder
von dem einen zum anderen Spie-
ler schaute
(
Foto 6b)
.
Die Präsenz
und die natürliche Autorität, die
der Schiedsrichter in diesem
Moment ausstrahlte, ließ sich auch
daran erkennen, dass keiner der
beiden Kontrahenten versuchte,
den anderen anzuschwärzen: „Aber
der hat doch …“ usw. Beide Spieler
(
und auch ihre Kollegen) hatten
den Schiedsrichter verstanden.
***
Muss ein Schiedsrichter eine mögli-
che Strafstoßszene beurteilen, sind
ihm natürlich die am liebsten, in
denen ein klares Foul vorliegt und
der Strafstoßpfiff eine Selbstver-
ständlichkeit ist. Dass das eher die
Ausnahme ist, weiß jeder, der
schon einige Spiele gepfiffen hat.
Schließlich ist man heute als
Unparteiischer vielfältigen Versu-
chen der Spieler ausgesetzt, einen
Strafstoß zu schinden, ihn also
herauszuholen“, wie es viele
Beteiligte immer wieder ausdrü-
cken und dabei gar nicht merken,
wie negativ betrügerisch das
klingt.
Der Strafstoß im Spiel
Augsburg
gegen Braunschweig (16. Spieltag)
sah am Fernseher und von der Tri-
büne aus auch ein wenig wie „her-
ausgeholt“ aus.
Die Szene: Der Ball wird von der
Braunschweiger Abwehr im eige-
nen Strafraum vertändelt. Der
Augsburger Tobias Werner setzt
nach und spielt den Ball in halblin-
ker Angriffsposition im Strafraum.
Gegenspieler Norman Theuerkauf
befindet sich hinter Werner und
läuft dicht auf ihn auf, der Angrei-
fer kommt zu Fall
(
Foto 7a)
,
Schiedsrichter Knut Kircher ent-
scheidet sofort auf Strafstoß.
Er steht rund acht Meter hinter die-
ser Situation, mit ungestörtem und
bestem Einblick. Wegen dieses
glänzenden Stellungsspiels konnte
Kircher erkennen, dass Werner vom
Knie des Braunschweigers an der
rechten Wade getroffen wurde
(
Foto 7b)
.
Dadurch kam der Angrei-
fer aus dem Laufrhythmus und trat
sich beim nächsten Schritt zwangs-
läufig selbst in die Hacken. Der
Sturz war unvermeidlich, nichts
wurde hier „herausgeholt“.
Ein Beispiel, das klar verdeutlicht,
was sehr gutes Stellungsspiel bei
der Bewertung von Strafraum-Situa-
tionen ausmacht: klarer und freier
Blick auf die Situation, die richtige
Distanz zum Geschehen und der
sofortige Pfiff. Alles zusammen
führt – wie in diesem Fall – zur
hohen Akzeptanz der Entschei-
dung.
Und diese Akzeptanz ist ja das Ziel,
das wir Schiedsrichter immer
anstreben. Egal in welcher Situa-
tion, egal in welcher Spielklasse.
und erkennt, aus welchem Grund der Angreifer zu Fall kommt.
Schiedsrichter Kircher beobachtet die Situation im Strafraum
genau …
was ihnen eine gehörige Standpauke von Schiedsrichter Gräfe
einbringt.
Kevin Groß-
kreutz und
Mario Mandzukic
bieten sich die
Stirn, …
Foto 6a
Foto 6b
Foto 7a
Foto 7b