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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 3
könnte. Der DFB-Schiedsrichter-
Ausschuss befasste sich mit der
Bitte, konnte Zimmermann aber
nicht helfen. Die Begründung: Er sei
bisher von seinem Landesverband
nicht dem DFB gemeldet worden.
Da das auch in der folgenden Zeit
nicht geschah, war seine Karriere
beendet. In den 70er-Jahren fun-
gierte Walter Zimmermann als
Schiedsrichter-Betreuer bei seinem
Verein, dem VfL Wolfsburg. Später
entdeckte er seine Liebe zum Eis-
hockey und kümmerte sich beim
damaligen ESC Wolfsburg in erster
Linie um das 1983 erbaute Stadion
Eispalast“ am Allerpark.
***
Keine Frage für mich, Höfer
grätschte seinen Gegenspieler im
Strafraum um, und ich pfiff sofort.“
So hat
Johannes Malka
später die
Szene geschildert, die zum ersten
Strafstoß der Bundesliga-Geschichte
führte. Der 1. FC Kaiserslautern ging
in der 38. Minute bei Eintracht
Frankfurt mit 1:0 in Führung.
Schon zwei Minuten später zeigte
Malka wieder auf den Punkt, dies-
mal gab er einen Handelfmeter für
die Eintracht. Dieser Pfiff war
umstritten: War es wirklich inner-
halb des Strafraums? Der Protest
der Lauterer hielt sich in Grenzen.
Die TV-Zeitlupe gab es noch nicht –
und selbst wenn: An der Entschei-
dung hätte sich ja nichts geändert.
Das war 1963 so, und das ist es noch
heute: Ein Schiedsrichter schafft
mit seinem Pfiff eine im Nachhinein
unumstößliche Tatsache. Trotz man-
cher, von meist unwissender Seite
vorgetragener Versuche, daran zu
kratzen – dieser Grundpfeiler des
Regelwerks steht nach wie vor fel-
senfest.
Und das war auch schon so, als
Johannes Malka 1949 seine Schieds-
richter-Laufbahn begann, nicht
ahnend in welch’ sportliche Höhen
sie ihn führen sollte. Schon drei
Jahre später, gerade 30 Jahre alt
geworden, leitete er seine erste
Begegnung in der Oberliga West,
der damals höchsten Spielklasse in
Deutschland: Preußen Dellbrück
gegen Schwarz-Weiss Essen (4:2).
Das Spiel fand auf den Tag genau
neun Jahre vor der Premiere der
Bundesliga statt. Inzwischen war
Malka FIFA-Schiedsrichter geworden
(1959)
und hatte viele brisante End-
rundenspiele um die Deutsche
Meisterschaft geleitet. Auf das Spiel
in Frankfurt sollten noch 50 weitere
Bundesliga-Berufungen folgen, ehe
der Schiedsrichter von der Spiel-
vereinigung Herten ein wenig
kurios seine aktive Karriere been-
den musste. Relativ kurzfristig hatte
der DFB 1966 entschieden, die Alters-
grenze für die Bundesliga einzufüh-
ren, die heute noch gilt – 47 Jahre.
Der damals festgelegte Stichtag
1.
August traf Johannes Malka
besonders hart. Nur 14 Tage fehlten
dem am 16. Juli 1922 geborenen
Westfalen, eine weitere Saison lang
Bundesliga-Spiele leiten zu können.
Aber Malka hatte ja neben der prak-
tischen Tätigkeit auf dem Spielfeld
auch die Funktionärs-Laufbahn ein-
geschlagen und blieb dem Schieds-
richter-Wesen damit erhalten –
noch weitere 30 Jahre!
Seit 1963 Lehrwart in Westfalen,
wurde er bereits 1966 Mitglied des
neu gegründeten DFB-Lehrstabs.
1975
der nächste Schritt: Malka wird
Schiedsrichter-Obmann seines Lan-
desverbandes und des westdeut-
schen Regionalverbandes. Drei Jahre
später übernimmt er als Nachfolger
des verstorbenen Werner Treichel
den Vorsitz des DFB-Schiedsrichter-
Ausschusses – eine Position, die er
17
Jahre lang ausfüllt. International
wird er Mitglied der Schiedsrichter-
Kommission der UEFA und für meh-
rere Jahre auch deren Vorsitzender.
1995
gab Johannes Malka nach 46
Jahren unablässiger Tätigkeit für
den Fußball und für die Schiedsrich-
ter sein DFB-Amt an Volker Roth ab.
In einem Interview begründete er
das später so: „Irgendwann möchte
man auch mal Zeit mit der Familie
verbringen. Der zweite Grund war
das Heranwachsen einer neuen
Schiedsrichter-Generation. Und der
Hauptgrund war sicher, dass das
nicht mehr mein Fußball ist. Die
großen Geldbeträge, die gezahlt
werden, der Umgang mit Schieds-
richtern, das ist nicht mehr meine
Fußball-Welt.“
Konsequent, wie er immer war, zog
sich Johannes Malka vom Fußball
zurück. Er feierte am 16. Juli seinen
91.
Geburtstag und lebt nach wie
vor in seiner Geburtsstadt Herten.
***
Die 15.261 Spiele, die in den ersten
50
Jahren der Bundesliga stattfan-
den, wurden von 291 Schiedsrich-
tern geleitet. Als die „ersten Acht“
von ihnen am 24. August 1963 auf
den Platz gingen, taten sie das für
20
Mark pro Tag, aber natürlich mit
der gleichen Absicht wie die Top-
Schiedsrichter von heute: ihre beste
Leistung zu bringen, ihren Mut und
ihre Entscheidungsfreude einzuset-
zen, um das Geschehen innerhalb
der Regeln abzuwickeln und immer
und in jedem Fall neutral zu bleiben.
Kurz gesagt: dem Spiel zu dienen.
Spielbeobachtung beim Lehrgang: Links neben DFB-Obmann Degenhard Wolf (ganz rechts,
heller Mantel) steht Karl Fritz, Vater von Helmut Fritz. Zwischen den beiden ist hinten
Johannes Malka zu erkennen. Vordere Reihe (mit den Händen in der Tasche): Kurt Tschenscher.
2005:
Der damals 82-jährige
Johannes Malka als Ehren-
mitglied beim DFB-Bundes-
tag in Mainz.