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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 3
an Unparteiischen. Für den jungen
Mann aus Hamburg, der später, in
den 60er-Jahren, aus beruflichen
Gründen nach Hannover umzog,
sollte es die richtige Entscheidung
sein, Schiedsrichter zu werden.
Schnell wurden die Fußball-Oberen
auf ihn aufmerksam. Schon Anfang
1953
pfiff er in der Oberliga Nord,
der damals höchsten Spielklasse,
wo unter anderem auch Uwe Seeler
und Jupp Posipal kickten. Sein Ober-
liga-Debüt gab er bei der Partie
Hannover 96 gegen den VfB Lübeck.
Als die Bundesliga 1963 gegründet
wurde, war Schulenburg schon zehn
Jahre als Schiedsrichter in den
höchsten deutschen Spielklassen
aktiv, quasi ein „alter Hase“.
Dass er gleich am ersten Spieltag
von DFB-Schiedsrichter-Obmann
Degenhard Wolf angesetzt wurde,
war also naheliegend. Schließlich
stand Schulenburg schon seit 1960
auf der Liste der FIFA-Schiedsrich-
ter. Er galt als einer der konditio-
nell stärksten und schnellsten
Unparteiischen, geradezu als „Kon-
ditionswunder“, wie in alten Zei-
tungsberichten zu lesen ist.
Bis 1974 blieb er FIFA-Referee,
bevor er mit 47 Jahren die Alters-
grenze erreichte. Die Berufung zur
WM im eigenen Land wurde ein
letzter großer Höhepunkt in seiner
Karriere.
Die Liste der vielen hochkarätigen
Fußballspiele, die „Schule“ in
Deutschland und Europa souverän
geleitet hat, ist lang. Zum Beispiel
am 15. April 1967 den legendären
3:2-
Auswärts-Sieg der Schotten im
Wembley-Stadion gegen den dama-
ligen Weltmeister England vor
100.000
Zuschauern: England ver-
lor in der EM-Qualifikation mit
Stars wie Gordon Banks, Jack
Charlton, Bobby Moore und Geoff
Hurst. Gerd Schulenburg war ein
allseits akzeptierter und respek-
tierter Spielleiter – der erste konti-
nental-europäische Referee über-
haupt, der in Wembley dieses Spiel
leiten durfte.
Oder das mit 134.000 Zuschauern
im Hampden Park absolute Rekord-
Europapokal-Halbfinale (heute:
Champions League) zwischen
Celtic Glasgow und Leeds United (2:1)
am 15. April 1970: Diese Zuschauer-
zahl in einem europäischen Pokal-
Wettbewerb ist bis heute uner-
reicht. Oder, nur zehn Tage später,
am 25. April 1970: „British Champion-
ship“, wieder Schottland – England
(0:0),
wieder im Glasgower Hamp-
den Park, vor der Rekordkulisse
von 137.438 zahlenden Zuschauern.
Gerd Schulenburg war ein gern
gesehener Referee auf der Insel.
Und auch sonst in Europa und der
Welt: Ob Pelé oder Puskas, Hurst
oder Heynckes, Beckenbauer, Net-
zer, Seeler… sie alle haben Schu-
lenburg als gradlinigen und bere-
chenbaren Schiedsrichter kennen-
und schätzengelernt.
Legendär ist die humorvolle Art,
die Gerhard Schulenburg auszeich-
nete – am 27. März 1971 wurde seine
Frohnatur unmittelbar vor dem
Anpfiff der Bundesliga-Partie
1.
FC Köln – Borussia Mönchenglad-
bach (3:2) eindrucksvoll dokumen-
tiert: Die Mannschaftsführer Wolf-
gang Overath und Günter Netzer
standen sich bei der Platzwahl
gegenüber, es wurde gescherzt und
gewitzelt – und Schulenburg musste
herzhaft lachen. Genau in diesem
Moment drückte der Fotograf auf
den Auslöser – und es entstand
eines der bekanntesten Sportfotos
des Jahres 1971, das bis heute gute
Laune macht, wenn man es nur
anschaut (siehe auch Schiedsrich-
ter-Zeitung Nr. 1/2012).
Auch nach seinem Abschied von
der internationalen Bühne und aus
der Bundesliga nach der WM 1974
blieb Gerd Schulenburg aktiv – als
Schiedsrichter, als Altliga-Spieler,
als Leiter des Trainings der
Schiedsrichter-Gruppe Hannover,
als Vorstandsmitglied. Unter ande-
rem bildete er als Nachwuchs-
Talent Uwe Kemmling aus – den
späteren Bundesliga-Schiedsrich-
ter.
Erst 1988 zog sich Schulenburg, der
61
Jahre lang glücklich mit seiner
im Jahr 2010 verstorbenen Frau
Irmgard verheiratet war, langsam
zurück – ganz langsam. Auch beruf-
lich: Der langjährige Geschäftsfüh-
HELMUT FRITZ
✝
TSV München 1860 –
Eintracht Braunschweig 1:1
Linienrichter:
Josef Hager (Ludwigshafen),
Helmuth Conrad (Saarbrücken)
Geboren: 19. 10 1923
Gestorben:
Datum nicht zu ermitteln
Beruf:
Kaufmännischer Angestellter
Heimatort: Oggersheim
Verein: FSV Oggersheim
DM-Endrundenspiele: 6
Bundesligaspiele:
64 (1963 - 1970)
Pokalfinale: 1969
(
Bayern München –
FC Schalke 04 2:1)
FIFA: 1964 - 1968
GERHARD SCHULENBURG
✝
FC Schalke 04 –
VfB Stuttgart 2:0
Linienrichter:
Horst Herden (Hamburg),
Wolfgang Link (Kiel)
Geboren: 11. 10. 1926
Gestorben: 26. 3. 2013
Beruf:
Geschäftsführer Krankenkasse
Heimatort: Laatzen
Verein: TuS Wustrow
DM-Endrundenspiele: 12
DM-Endspiel: 1961 (1. FC Nürn-
berg – Borussia Dortmund 3:0)
Bundesligaspiele:
106 (1963 – 1974)
Pokalfinale: 1959, 1966 und 1970
FIFA: 1960 - 1974
Historie
Weltklasse-Schiedsrichter mit großer Ausstrahlung: Gerhard
Schulenburg.
Helmut Fritz im April 1967 mit den Nationalspielern Hannes
Löhr (1. FC Köln, links) und Franz Beckenbauer (Bayern Mün-
chen).