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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 3
Vor 50 Jahren – am 24. August 1963 – pfiffen acht Unparteiische die ersten Spiele einer neuen
bundesweiten Liga an, die seitdem die Fußball-Fans in ihren Bann zieht. Wer waren diese ersten
Bundesliga-Schiedsrichter? Kurt Tschenscher, Alfred Ott, Rudolf Kreitlein und Rolf Seekamp hat
Lutz Lüttig bereits in der vergangenen Ausgabe vorgestellt, nun folgen die anderen vier.
Auftakt für eine neue
Schiedsrichter-Ära
Teil 2
S
ie nannten ihn schon in der
Schule „Schule“ – naheliegend,
wenn einer Schulenburg heißt. Und
auch später, als er längst ein aner-
kannter Schiedsrichter war, sagte
niemand, der ihn duzen durfte,
„
Gerhard“ zu
Gerhard Schulen-
burg.
Als SRZ-Mitarbeiter Marco Haase
ihn zu seinem 85. Geburtstag in
Laatzen bei Hannover besuchte
(
siehe Schiedsrichter-Zeitung
Nr. 1/2012), sagte der 41-Jährige
aus Respekt vor dem Älteren
natürlich nicht gleich „Schule“,
sondern „Guten Tag, Herr Schulen-
burg“. Weil der aber wusste, dass
Marco Haase auch Schiedsrichter
ist, bot der Jubilar ihm gleich wie
selbstverständlich das Du an: „Ich
bin der Gerd, kannst aber ,Schule’
sagen.“
Der Respekt und vor allem die
Begeisterung wuchsen noch, als
Marco Haase im Laufe des
Gesprächs genauer erfuhr, welch
großartige Spiele Gerhard Schulen-
burg in seiner Karriere geleitet
hatte – und beide machten einen
Plan: „Auch wenn es ihm damals
schon nicht so gut ging – ,Schule’
musste im Rollstuhl sitzen – hatten
wir fest vereinbart, gemeinsam ein
Bundesligaspiel von Hannover 96
zu besuchen. Er hatte sich sehr
darauf gefreut, und ich natürlich
auch. Dazu ist es nun leider nicht
mehr gekommen.“
Und so ist Marco im Nachhinein
sehr froh, dass er „Schule“ noch
ein weiteres Mal besuchte – und
dabei so viele interessante Erleb-
nisse und Geschichten hörte, „dass
man ein Buch darüber schreiben
könnte“.
Gerhard Schulenburg, einer der
Schiedsrichter des allerersten
Bundesliga-Spieltags, starb am
26.
März dieses Jahres – der Vierte,
der von den „ersten Acht“ nicht
mehr lebt. In seinem Nachruf für
den Niedersächsischen Fußballver-
band hat Marco Haase die Karriere
von „Schule“ nachgezeichnet und
ihn für diese Ausgabe der Schieds-
richter-Zeitung überarbeitet:
„
Der Niedersächsische Fußballver-
band trauert um Gerhard Schulen-
burg. Einer der besten Unpartei-
ischen, die in den 50er-, 60er- und
70
er-Jahren im NFV, in Deutsch-
land und Europa aktiv waren, ver-
starb in der Nacht zum 26. März in
seiner Wohnung in Laatzen. Schu-
lenburg, der 14 Jahre lang FIFA-
Schiedsrichter war und bei den
renommiertesten europäischen
Klubs Spiele leitete, wurde
86
Jahre alt.
Die Schiedsrichter-Karriere von
Gerhard Schulenburg begann 1949
im Nachkriegs-Hamburg. Damals
wollte „Schule“ eigentlich weiter
Fußball spielen. 23 Jahre alt war er,
als er jedoch als Folge der schlech-
ten Ernährungslage in der Nach-
kriegszeit zum dritten Mal an Gelb-
sucht erkrankte und ihm die Ärzte
nahelegten, auf das Kicken zu ver-
zichten. Es herrschte Mangel, auch
Historie
24.
August 1963, Glückauf-Kampfbahn, FC Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart: Schiedsrichter
Gerhard Schulenburg bei der Platzwahl mit VfB-Torwart Günter Sawitzki (links) und Manfred
Kreuz. Etwas unorthodox aufgestellt haben sich die Linienrichter Horst Herden (Hamburg) und
Wolfgang Link aus Kiel (rechts).