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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 3
wenn es in der Kreisklasse darum
geht: „Hat der Ball die Torlinie wirk-
lich überquert?“ Sie werden nie mit
letzter Gewissheit erfahren, ob ihre
Entscheidung auf Tor richtig war.
Für sie bleibt Fußball auch in
Sachen korrekter Torerzielung ein
Spiel voller Diskussionen und Über-
raschungen.
Doch was sagt die Regel 10 unseres
Regelwerks zur Frage, „wie ein Tor
erzielt wird?“ Welche Grundlagen
sind zu beachten? Welche Voraus-
setzungen müssen gegeben sein,
damit ein Tor entsprechend den
Spielregeln gewertet werden kann
und der erfolgreichen Mannschaft
allen Grund zum Jubeln gibt?
Die Verfasser der Lehrbriefe greifen
in ihrer 50. Ausgabe sämtliche Fra-
gen auf, die mit der Regel 10 zu-
sammenhängen, und machen die
Arbeit an diesem Thema mit einem
„
Regelquiz“ besonders schmack-
haft.
Darüber hinaus hat Heinz Willems,
Mitglied im Schiedsrichter-Kompe-
tenzteam des DFB, 15 Videoclips mit
bedeutenden, kuriosen und regel-
technisch bemerkenswerten Torsze-
nen zusammengestellt. Diese kön-
nen die Verbands-Lehrwarte im
Netz herunterladen und in ihre
Weiterbildungen einbinden.
Die Möglichkeiten zu einer eher
theoretischen Arbeit zum Thema
„
Tore entscheiden die Spiele“ zeigt
der Lehrbrief am Beispiel von zwei
Regelfragen auf. Nach der einfa-
chen Beantwortung der folgenden
Fragen wird in einem zweiten
Schritt deutlich, worauf ein
Schiedsrichter zu achten hat, ehe
er endgültig die Entscheidung auf
Tor treffen kann.
■
Nach einem regelgerechten
Zweikampf um den Ball kann ein
Angreifer aus etwa 18 Metern
den Ball auf das Tor schießen.
Dort prallt das Leder von der
Unterkante der Latte auf den
Boden und dann in die Arme des
Torwarts. Der Schiedsrichter
konnte nicht genau erkennen,
ob der Ball dabei die Linie voll-
ständig überschritten hatte. Der
Assistent jedoch hat eindeutig
gesehen, dass der Ball klar
erkennbar hinter der Torlinie auf
den Boden gesprungen war und
zeigt dies an. Entscheidungen
des Schiedsrichters?
■
Ein Angreifer führt einen Ein-
wurf regelwidrig aus. Der weit
geworfene Ball fliegt in Richtung
Tor, springt vor der Torlinie auf
dem Boden auf und geht dann
unberührt ins Tor. Entschei-
dung?
Anhand dieser beiden Fragestellun-
gen lässt sich in einer Textanalyse
eine große Zahl von Faktoren her-
ausarbeiten, die zu beachten sind,
bevor ein Tor anerkannt werden
darf.
In den entsprechenden Regelvorga-
ben heißt es: „Ein Tor ist gültig
erzielt, wenn der Ball die Torlinie
zwischen den Torpfosten und unter-
halb der Querlatte vollständig über-
quert hat, sofern das Team, das den
Treffer erzielt hat, zuvor nicht
gegen die Spielregeln verstoßen
hat.“
Im Lehrbrief verweisen die Verfas-
ser zusätzlich auf fünf Eckpunkte,
die vom Schiedsrichter bei jedem
Treffer besonders zu beachten sind:
■
Der Ball muss die Torlinie voll-
ständig überquert haben.
Der 50. Lehrbrief
Mit dem aktuellen Lehrbrief feiern wir ein kleines Jubiläum.
Bereits zum 50. Mal geben Günther Thielking und Carsten Voss
den Lehrwarten eine Arbeitshilfe an die Hand, von der die
Schiedsrichter in den Kreisen und Verbänden profitieren.
Herr Thielking, wie entstand vor mehr als acht Jahren die Idee
eines bundesweit einheitlichen Lehrbriefs und wie hat sich dessen
Konzeption seitdem verändert?
Günther Thielking:
Eugen Strigel kam damals auf mich zu und
erläuterte das Problem, dass es zur Schiedsrichter-Lehrarbeit kaum
Literatur gebe. Da ich selbst in der Erwachsenen-Bildung tätig war,
bekam ich die Aufgabe, gemeinsam mit Carsten Voss Lehreinheiten
zu unterschiedlichen Themen zu entwerfen. Grundlage jeder Unter-
richtseinheit sind dabei Überle-
gungen zur Didaktik, Methodik
und den Lernzielen, die mit den
Teilnehmern erreicht werden sol-
len. Was sich im Laufe der Jahre
verändert hat, ist vor allem die
Auswahl der Medien: Haben wir
früher mit dem Overhead-Projek-
tor gearbeitet, benutzen wir
heute Beamer und Laptop. Auch
der Einsatz von Videoszenen hat
zugenommen, damit wir die theo-
retischen Inhalte an konkreten
Situationen verdeutlichen kön-
nen.
Welche Überlegungen sind für Sie bei der Planung einer Lehreinheit
von Bedeutung?
Thielking:
Wichtig ist, dass der Lehrwart die Rolle des „Lernorgani-
sators“ übernimmt und die Schiedsrichter durch handelndes Lernen
Kompetenzen gewinnen. Es reicht für einen Unparteiischen nicht
aus, die Regeln zu kennen, denn: Alles Wissen nützt nichts, wenn
man es nicht anwenden kann. Hier wollen wir mit unseren Lehrbrie-
fen helfen. Ein Beispiel hierzu sind Rollenspiele zum Thema „Verhal-
ten in Konflikt-Situationen“. Durch das Nachstellen solcher Situatio-
nen entwickeln die Schiedsrichter Handlungs-Strategien, die sie
später auf dem Spielfeld anwenden können.
Bei jedem einzelnen Lehrbrief bearbeiten Sie einen bestimmten
Themen-Schwerpunkt. Wie entstehen die Themen des Lehrbriefs?
Und wie viele neue Themen sind in der Zukunft überhaupt noch
möglich?
Thielking:
Die Themen werden von Carsten Voss, Lutz Wagner und
mir entworfen und durch die Beiträge anderer Landes-Lehrwarte
ergänzt. Im Rahmen der DFB-Obleute- und Lehrwarte-Tagung wer-
den sie dann für das kommende Jahr präzisiert und festgelegt.
Nach inzwischen 50 Lehrbriefen sind weitere neue Themen kaum
noch möglich. Allerdings versuchen wir, durch den Einsatz unter-
schiedlicher Methoden bereits behandelte Themen neu zu präsen-
tieren. Außerdem müssen die Inhalte regelmäßig aktualisiert wer-
den, da sich das Regelwerk immer wieder verändert.
Drei Fragen – drei Antworten
Günther Thielking verfasst
seit mehr als acht Jahren
die DFB-Lehrbriefe.
Die Torlinientechnologie –
hier im Einsatz beim Confe-
derations Cup in Rio de
Janeiro – hilft dem Schieds-
richter auf internationaler
Ebene künftig bei der Torent-
scheidung.