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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 3
Lehrwesen
Tore entscheiden Spiele
Erzielt eine Mannschaft ein Tor, ist dies ein besonders heikler Moment im Spiel. Innerhalb von
Sekundenbruchteilen muss der Schiedsrichter entscheiden, ob die Torerzielung korrekt zustande
kam – oder ob möglicherweise ein Regelverstoß vorlag. Günther Thielking stellt den aktuellen
DFB-Lehrbrief Nr. 50 zu diesem Thema vor.
D
as Runde muss in das Eckige“ -
mit diesem Satz machte der
ehemalige Bundestrainer Sepp
Herberger einst deutlich, was das
wichtigste Ziel eines Fußballspiels
ist. Er dachte in dem Augenblick, als
er diese Aussage traf, vielleicht
auch an das WM-Finale 1954 in Bern,
denn da gelang es seiner National-
mannschaft in der 84. Minute, den
3:2-
Siegtreffer zu erzielen.
Dieses Tor für Deutschland gehört
ebenso zu den zahlreichen Tref-
fern, die im Fußball national und
international Geschichte schrie-
ben, wie zum Beispiel auch das
„
Golden Goal“, mit dem Oliver Bier-
hoff den Siegtreffer im EM-Finale
1996
erzielte.
Tore sind das Salz in der Suppe
eines Fußballspiels. Und deshalb
überrascht es auch nicht, dass man
bei einer Google-Suche nach den
Begriffen „Fußball“ und „Tor“ mehr
als 20 Millionen Einträge findet.
Entscheiden Tore über den Auf-
oder Abstieg einer Mannschaft,
dann geht es für die betroffenen
Vereine nicht selten um besondere
Imagewerte oder sogar um Millio-
nenbeträge. Immer wieder versu-
chen die Spieler deshalb, mit allen
erlaubten und manchmal leider
auch verbotenen Mitteln Tore zu
erzielen oder zu verhindern.
Treffen die Schiedsrichter in sol-
chen strittigen Situationen eine
Torentscheidung, so kommt es zu
heftigen Diskussionen auf dem
Rasen und unter den Fans. Wurde
der Ball vor der Torerzielung mit
der Hand gespielt? Gab es ein Foul
eines Angreifers vor dem Tor-
schuss? Lag eine strafbare Abseits-
position vor?
Und wohl kaum eine Situation im
Fußball beschäftigt die Gemüter
über Jahrzehnte mehr als ein Tref-
fer, bei dem nicht eindeutig zu
erkennen war, ob der Ball die Tor-
linie vollständig überquert hatte.
Im bezahlten Fußball wird diese oft
heiß diskutierte Frage bald Ge-
schichte sein, denn seit der Einfüh-
rung der Torlinientechnologie beim
Confederations Cup in Brasilien
wird den Unparteiischen in diesen
Spielklassen bei der Entscheidung
„
drin oder nicht drin“ ein großer
Druck genommen. Sie können
immer dann auf die Technik verwei-
sen, wenn bei einem fraglichen
Treffer das Ergebnis, ob „Tor“ oder
„
kein Tor“, unklar ist.
Ewige Diskussionen wie beim „Wem-
bley-Tor“ von Geoff Hurst im WM-
Finale 1966 wird es nicht mehr
geben, denn schließlich signalisie-
ren den Referees dann mehrere
High-Tech-Kameras und der Blick
auf die Uhr am Handgelenk, ob der
Ball hinter der Linie war.
Die Schiedsrichter an der Basis aber
werden weiterhin mit dem Konflikt-
potenzial und den kritischen Aus-
einandersetzungen leben müssen,
Tore entscheiden nicht nur Spiele, sondern sogar Titel: Stefan Kuntz bejubelt das „Golden
Goal“ von Oliver Bierhoff im EM-Finale 1996 gegen Tschechien.
Diejenigen Tore, die eigentlich keine waren, werden besonders
häufig diskutiert – wie zum Beispiel der „Wembley-Treffer“ der
Engländer im WM-Finale 1966.