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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3
Titelthema
ALFRED OTT
SV Werder Bremen –
Borussia Dortmund 3:2
Linienrichter:
Max Spinnler (Mainz),
Günter Linn (Altendiez)
Geboren: 19. Juni 1934
Beruf:
Sachbearbeiter Krankenkasse
Heimatort: Rheinbrohl
Verein: SSV Bad Hönningen
DM-Endrundenspiele: 6
Bundesligaspiele:
80 (1963 – 1970)
FIFA: 1968 - 1970
KURT TSCHENSCHER
Preußen Münster –
Hamburger SV 1:1
Linienrichter:
Heinz Siebert (Mannheim),
Rudolf Eisemann (Heidelberg)
Geboren: 5. Oktober 1928
Beruf: stellvertretender
Sportamtsleiter
Heimatort: Mannheim
Verein: VfL Neckarau
DM-Endrundenspiele: 10
DM-Endspiel: 1963 (Borussia
Dortmund – 1. FC Köln 3:1)
Bundesligaspiele:
126 (1963 – 1974)
Pokalfinale: 1973 Borussia
Mönchengladbach – 1. FC Köln
2:1
n.V.
FIFA: 1958 – 1975 (WM-Teilnah-
men 1966, 1970, 1974)
ger SV gegen Eintracht Braun-
schweig, im März 1964 stand dann
im Rückspiel Herbert Lutz an der
Linie bei Rolf Seekamp.
***
Tschenschers Spiel in Münster
endete nach einem verwandelten
Handelfmeter und dem Ausgleich
des HSV in der 86. Minute 1:1. Der
„
Kicker“ schrieb am Montag: „Das
spannende, kampfstarke Spiel
wurde von dem Mannheimer
Schiedsrichter-Gespann Tschen-
scher, Siebert, Eisemann ausge-
zeichnet geleitet.“
Für Kurt Tschenscher war die
Ansetzung am allerersten Spieltag
der Bundesliga das erste seiner
126
Spiele in dieser Liga und einer
von vielen Höhepunkten seiner bis
heute unerreichten Schiedsrichter-
Karriere: drei Weltmeisterschafts-
teilnahmen (1966, 1970, 1974), die
EM 1968, 119 internationale Anset-
zungen (davon 41 A-Länderspiele),
die Endspiele im Europapokal der
Landesmeister (1967) und der
Pokalsieger (1962), das DFB-Pokal-
endspiel 1973 und das schon
erwähnte letzte Endspiel um die
Deutsche Meisterschaft 1963. Alles
kann man hier gar nicht aufzählen
(
mehr über Kurt Tschenscher in
den Ausgaben der DFB-Schieds-
richter-Zeitung Nr. 6/2008 und
Nr. 2/2009).
Nach Erreichen der Altersgrenze
1975
diente Kurt Tschenscher dem
Fußball mit seiner großen Erfah-
rung weitere 20 Jahre lang in
hohen Funktionärs-Positionen, als
Schiedsrichter-Beobachter und
-
Ausbilder. Anfang Oktober wird er
85
Jahre alt. Und schaut nach wie
vor mit heißem Herzen alle Spiele
im TV. Dabei freut er sich über
starke Schiedsrichter-Leistungen,
übt aber auch Kritik, wenn ein
Schiedsrichter ihm zu nachsichtig
erscheint. „Meine Frau muss mich
manchmal ein wenig bremsen“,
lacht der temperamentvolle
Tschenscher, für den ganz
besonders der Spruch gilt: einmal
Schiedsrichter, immer Schieds-
richter.
***
Ähnlich wie in Münster erreichte
den Schiedsrichter des Spiels
SV Werder Bremen gegen Borussia
Dortmund kurz vor Spielbeginn ein
Zuruf: „Kommen Sie, meine Herren,
die Spieler stehen schon alle im
Gang.“ Gemeint waren Schiedsrich-
ter
Alfred Ott
und seine Linienrich-
ter Max Spinnler und Günter Linn.
Die Aufforderung kam von Walter
Baresel, damals Spielleiter der
Bundesliga und eigens zum Start
aus seiner Heimatstadt Hamburg
angereist.
Ohne es zu ahnen, schuf der über-
pünktliche Hanseat damit ein Kurio-
sum, wie Günter Linn heute erzählt:
„
Es war ja nicht mal eine Minute
vergangen, als der Konietzka das
1:0
für Dortmund schoss. Und die
Stadionuhr zeigte doch erst
16.59
Uhr! Es war also eigentlich
eine Minute vor Spielbeginn. Aber
das habe ich erst am Montag mitbe-
kommen, weil der Weser-Kurier das
Foto mit der Uhr ganz groß auf
Seite 1 hatte.“ Linn hatte als Postbe-
amter in seinem Heimatort Alten-
diez Zugang zur Zeitungsstelle und
sich dort die Bremer Tageszeitung
angeschaut. Schnell mal ins Inter-
net zu schauen, war ja noch nicht
möglich.
Günter Linn, damals 28, war zur
Saison 1963/1964 von seinem
Obmann Eugen Dinger auf die
B-Liste des DFB gemeldet worden.
Er kam eigentlich aus der 2. Liga
Südwest, hatte nur ganz am Schluss
einige Spiele in der Oberliga Süd-
west gepfiffen. Linn: „Das ging
damals ganz rasch, plötzlich war
ich Linienrichter in der Bundesliga!“
Noch steiler verlief die Karriere
seines „Gespannführers“, wie man
damals sagte: Alfred Ott war erst
25
Jahre alt, als er im Mai 1960
sein erstes Endrundenspiel um die
Deutsche Meisterschaft pfiff (Tas-
mania 1900 Berlin – SV Werder Bre-
men). Dass der junge Mann nun
einer der ersten acht Bundesliga-
Schiedsrichter war, schien da nur
folgerichtig. Er war der Jüngste
von ihnen. Das schien einem Statis-
tiker so unglaubhaft zu sein, dass
das Geburtsjahr von Ott bei Wiki-
pedia (und damit fast überall
sonst) mit 1924 statt 1934 angege-
ben wird.
Die drei Südwestler Ott (Rhein-
brohl), Spinnler (Mainz) und Linn
(
Altendiez) hatten sich am Freitag
in Koblenz getroffen, denn von
Anfang an reisten die Schiedsrich-
ter in der Bundesliga am Vortag
des Spiels an. Sie fuhren von dort
mit dem Zug nach Bremen, das
Auto oder ein Flugzeug (Ausnahme
Berlin) zu nehmen, kam noch nicht
in Frage. Sie waren im Hotel „Zur
Post“ untergebracht, das jahrzehn-
telang das Schiedsrichter-Hotel in
Bremen blieb.
Schneidermeister Kreitlein
ließ sich den Stoff schicken –
und nähte seine Trikots
selbst.
Rudolf Kreitlein – ein Mann für schwierige Spiele, zum Beispiel
das bayerisch-fränkische Derby 1860 München gegen den
1.
FC Nürnberg.