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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3
seitdem die Fußball-Fans – und nicht nur sie – in ihren Bann zieht.
Acht“, die am Premieren-Spieltag angesetzt waren und sich fortan
chiedsrichter-Ära
1966:
Schiedsrichter Alfred Ott führt mit seinen Linienrich-
tern Günter Linn (rechts) und Volker Huster die Spieler von
Borussia Dortmund und 1860 München aufs Feld.
Alfred Ott und Schalkes Torwart Norbert Nigbur.
Spieleifer der Jugend, sondern
auch auf die Neugier und Teil-
nahme der Zuschauer einwirken
werden.“ Er sollte – zumindest
zunächst – Recht behalten: Insge-
samt waren nach offiziellen DFB-
Angaben 292.000 Fußball-Anhän-
ger in den acht Stadien, ein
Schnitt von 36.500. Mit einem 4:1-
Sieg beim Karlsruher SC wurde
der Duisburger Stadtteilverein
Meidericher SV erster Tabellenfüh-
rer der Bundesliga-Geschichte.
Das Interesse war also da, man
musste es nicht durch eine
wochenlange Medienkampagne
wecken, es gab keine bombasti-
sche Eröffnungsfeier mit Live-
Ticker, keine Sondersendungen
im TV oder gar Live-Übertragun-
gen. „Die Bundesliga fing einfach
so an“, erzählt Kurt Tschenscher.
In allen acht Stadien war um 17 Uhr
Anpfiff.
Aber natürlich war es auch für die
Schiedsrichter eine besondere
Situation, auch für sie begann
eine neue Ära. Bisher war der
Deutsche Meister in einer Endrunde
der besten Teams aus fünf Ober-
ligen ermittelt worden, das letzte
Endspiel (Borussia Dortmund –
1.
FC Köln 3:1) hatte am 29. Juni
1963
Kurt Tschenscher geleitet.
Jetzt trafen die Top-Teams aus
den einzelnen Regionen an jedem
Spieltag aufeinander, es war sozu-
sagen jede Woche „Endrunde“.
Tschenscher: „Natürlich war es für
uns eine spannende Frage: Wer
bekommt die ersten Spiele?“
Zuständig für die Ansetzungen war
Degenhard Wolf. Der Rheinländer
aus Köln leitete den DFB-Schieds-
richter-Ausschuss seit 1953, an sei-
ner Seite Carl Koppehel. Der Berli-
ner war schon seit Mitte der 20er-
Jahre in den verschiedensten
Funktionen des Schiedsrichter-
Wesens tätig (unter anderem
erfand“ er die Schiedsrichter-Zei-
tung). Den Ausschuss ergänzten
die Schiedsrichter-Obleute der
Regionalverbände.
Für 1962/1963, also die letzte Sai-
son vor dem Bundesliga-Start,
waren dem DFB für seine überre-
gionalen Wettbewerbe von den
Landesverbänden 66 Schiedsrich-
ter gemeldet worden. Sie wurden
eingeteilt in Gruppe A (38 Schieds-
richter) und Gruppe B (28). Wolf
sagte in einem Interview vor dem
Saisonstart 1962: „In diesem Jahr
werden sämtliche Schiedsrichter
bei allen Spielen von neutralen
Personen, die weder dem Spiel-
noch dem Schiedsrichter-Aus-
schuss angehören, aber erfahrene
Praktiker sind, beobachtet.“ Die
Ergebnisse der Beobachtungsbö-
gen wurden dann als entschei-
dende Grundlage für die Berufung
als Schiedsrichter zur ersten
Bundesliga-Saison genommen.
Anfang Januar 1963 schlug Wolf
dem dafür zuständigen Spielaus-
schuss des DFB vor, dass rund 90
Unparteiische als Schieds- und
Linienrichter in der Bundesliga
zum Einsatz kommen sollten. Walter
Baresel, damals Vorsitzender des
neu gegründeten Bundesliga-Aus-
schusses (später Liga-Ausschuss),
schien das etwas zu viel zu sein.
Er meinte, die Schiedsrichter
müssten mindestens zweimal pro
Monat zum Einsatz kommen, andere
forderten sogar drei Spiele pro
Monat, um „eine wirkliche Auswahl
zu erzielen“, wie es im Sitzungs-
protokoll heißt.
In der entscheidenden Bespre-
chung am 20. April setzte Wolf sich
durch. Auf der Liste der Unpartei-
ischen für die erste Bundesliga-
Saison erschienen letztlich 79
Namen. 38 von ihnen kamen in
den 241 Spielen der 16 Vereine
umfassenden Liga als Schiedsrich-
ter zum Einsatz (siehe Liste auf
Seite 7), alle anderen als Linien-
richter. Auch unter diesen „Hel-
fern“ finden sich viele Unpartei-
ische, die sich später selbst einen
Namen als FIFA-Schiedsrichter
gemacht haben. Zum Beispiel Fer-
dinand Biwersi (damals 29 Jahre),
Gerd Hennig (28), Walter Horst-
mann (27), Günter Linn (28) und
Klaus Ohmsen (27).
Denn an den Linien standen damals
noch keine Spezialisten, wie es
heute der Fall ist, sondern Unpartei-
ische, die auch „winkten“. Innerhalb
vieler Bundesliga-Gespanne wurde
abgewechselt. So leitete Rolf See-
kamp, einer der „ersten Acht“, Spiele
mit seinem Bremer Landsmann Her-
bert Lutz. Im Oktober 1963 winkte
Seekamp bei Lutz im Spiel Hambur-