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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3
Blick in die Presse
Dass auch im Handball Aktionen
zum Schutz der Schiedsrichter
notwendig sind – darüber berich-
tet die
Altmark Zeitung“
aus
Stendal.
Schiedsrichter müssen neutral,
hoch konzentriert und in ihren
Entscheidungen vor allem eins
sein: fehlerlos.
Doch ist dieser Anspruch noch
zeitgemäß? Aufgrund jüngster
Ereignisse im Handballsport
(
vermehrt Spielabbrüche aufgrund
vermeintlicher Fehlentscheidun-
gen) geht der HV Lok Stendal in
die Offensive. „Seid fair zu den
Schiris!“ ist die Botschaft, welche
die Jugend-Mannschaften des Ver-
eins nun auf Trikots nach außen
kommunizieren.
Wir müssen anfangen, die weni-
gen Schiedsrichter, die wir haben,
zu schützen und zu unterstützen“,
lautet die Meinung des Stendaler
Handballvereins. Schon im Jugend-
Bereich beginnen Eltern, Trainer
und sogar Spieler, mit aggressivem
und provozierendem Verhalten auf
die Entscheidungen der oft noch
jungen Unparteiischen einzuwir-
ken. Der Trend ist beängstigend.
Viele neu gewonnene Schiedsrich-
ter mit gutem Entwicklungspoten-
zial beenden ihre Schiedsrichter-
Karriere bereits im ersten Jahr.
Schon jetzt herrscht Schiedsrich-
ter-Mangel im Spielbezirk Nord
des Handballverbandes Sachsen-
Anhalt, zu dem die Altmark zählt.
Wir haben am Wochenende
grundsätzlich Probleme, Spiele mit
Schiedsrichtern zu besetzen“,
erklärte Schiedsrichter-Wart Mar-
tin Harms jüngst im Gespräch mit
der Altmark-Zeitung. Doch wo kein
Schiedsrichter, da kein Spiel. Auch
diese Erfahrung mussten viele Ver-
eine in der laufenden Saison
machen.
Es geht beim Sport vor allem
auch um Akzeptanz. Der Respekt
vor den Schiedsrichtern und ihren
Entscheidungen muss genauso
groß sein wie vor den eigenen Mit-
spielern, dem Trainer und der
anderen Mannschaft. Wichtig ist
auch, jungen Schiedsrichtern
Raum für Fehler zu geben“, erklärt
Bianca Mahlich vom HV Lok. „Mit
unserer Kampagne wollen wir zum
Umdenken aufrufen. Schon im
Jugendbereich muss den Spielern
vermittelt werden, dass Sport
ohne Schiedsrichter nicht funktio-
niert. Wir wollen damit dem
Abwärtstrend entgegenwirken und
junge Schiedsrichter motivieren
nicht aufzugeben.“
Handball:
Es geht vor allem
um Akzeptanz
Es geht auch ohne
Schiedsrichter
Neulinge werden
kenntlich gemacht
Moritz Eisenach
berichtet von
einem Turnier der Jüngsten.
Großer Auflauf im Flonheimer
Adelbergstadion. Fußball ohne
Schiedsrichter – ob das wirklich
funktioniert, wollten viele beim
Testturnier der F- und G-Jugend
live erleben. Um es vorwegzuneh-
men: Es funktioniert.
Im Flonheimer Adelbergstadion
zeigten sich die mit der „Fairplay”-
Liga eingeführten Regeländerun-
gen auf den ersten Blick. Vieles
ging anders als gewohnt vonstat-
ten. Alle Zuschauer, die Eltern der
kleinen Spieler eingeschlossen,
standen meterweit entfernt von
ihren Sprösslingen. Außerhalb der
Aschenbahn und hinter einer
Absperrung postiert, beobachteten
sie das Geschehen auf dem Platz.
Ich bin da skeptisch bis neutral”,
sagte Stefan Steuerwald, dessen
Sohn Raphael an diesem Tag ohne
die väterlichen Ratschläge von
außen auskommen musste. „Gut
ist, dass die Kinder nicht durch die
vielen Zurufe irritiert werden”,
fand Steuerwald, „aber wenn es
nur einer allein ist, der Tipps gibt,
könnte das zu wenig sein.”
Dieser Eine war entweder der Trai-
ner oder der Betreuer des jeweili-
gen Teams. Sie dürfen sich zwar
vergleichsweise näher am Feld
aufhalten, wurden aber durch eine
relativ kleine „Coachingzone” im
Bewegungsspielraum einge-
schränkt. Damit fanden sich die
Betroffenen ab. Andreas Hauck,
Jugendtrainer bei der TuS Nack,
sagte: „Anfangs hatte ich einige
Vorbehalte gegen diese neuen
Regeln.” Aber der Test sei sehr
unproblematisch und überra-
schend ruhig verlaufen. „Wir
mussten so gut wie gar nicht ein-
greifen”, berichtete ein sichtlich
entspannter Coach.
Wegen der Abschaffung von
Schiedsrichtern hatten viele Ver-
eine im Vorfeld mit chaotischen
Zuständen auf dem Feld gerechnet.
Aber das Gegenteil war der Fall.
Selbst bei Fehlentscheidungen
konnten sich die Jungs ohne zu
streiten einig werden”, sagte
Hauck. Es sei allerdings auch im
bisherigen Spielbetrieb in den
ganz jungen Altersklassen üblich
gewesen, dass das Spiel kaum
unterbrochen wurde. „Meistens
nur bei Ecken und Einwürfen.”
Den Eindruck, dass die Schieds-
richter tatsächlich und entgegen
allen vorherigen Zweifeln entbehr-
lich sind, bekräftigte auch Staf-
felleiterin Yvonne Völker: „Wir von
der Turnierleitung pfeifen nur
zweimal. Zum Spielbeginn und
zehn Minuten später, wenn es vor-
bei ist.” Mehr Pfiffe habe es auch
nicht gebraucht.
Dies war der erste von drei Test-
läufen, die im Kreis Alzey-Worms
veranstaltet werden. Ab der kom-
menden Saison wird bei den Klei-
nen die Spielrunde nach dem
neuen Modus ausgetragen.
Die
Augsburger Allgemeine
kün-
digt ein interessantes Experiment
der Schiedsrichter-Gruppe Illertal
an.
Das Amt des Schiedsrichters ist
kein einfaches. Der Schiedsrichter
soll immer und überall den Über-
blick behalten, die Einhaltung der
Regeln überwachen, zwischen
Recht und Unrecht unterscheiden
und es dabei allen recht machen.
Jeder erfahrene Schiedsrichter
weiß, dass dies eine schwierige
Aufgabe ist, aber er kann in der
Regel mit der von außen auf ihn
eindrängenden Kritik umgehen.
Für Anfänger ist dies nicht immer
so einfach. Die neue Aufgabe
erfordert ihre volle Konzentration,
und die ungewohnte Kritik-Situa-
tion verunsichert die Neulinge
dabei zusätzlich. Hier setzt ein
Pilotprojekt der Schiedsrichter-
Gruppe Illertal an, das in
Zusammenarbeit mit dem Ver-
bands-Schiedsrichter-Ausschuss
des Württembergischen Fußball-
verbandes (WFV) gestartet wird –
ein Modell, das es in ähnlicher
Form schon in vielen anderen
Bereichen gibt. Vor allem bei Fahr-
anfängern im Autoverkehr wurden
dabei recht gute Ergebnisse
erzielt.
Die Schiedsrichter erhalten ein
Logo (ein rotes N) für ihr Trikot,
mit dem für alle Anwesenden klar
erkenntlich ist, dass es sich hier
um einen Neuling handelt. Von den
Trainern und Vereins-Verantwort-
lichen, vor allem aber von den
sonstigen anwesenden Zuschauern
erwarten sich die Verantwortlichen
dadurch mehr Rücksichtnahme.
Oft wissen die anwesenden
Zuschauer gar nicht, dass das
Spiel von einem Schiedsrichter-
Neuling geleitet wird und schießen
dann im Eifer des Gefechts auch
einmal über das normale Verhal-
ten hinaus“, erläutert Alexander
Paul, Schiedsrichter-Obmann der
Gruppe Illertal. Und das soll auf
keinen Fall sein.
In den vergangenen Jahren kam
es deshalb vermehrt zu Zwischen-
fällen, die dazu führten, dass
Schiedsrichter-Neulinge das Amt
direkt wieder niederlegten. Das
Projekt wird im Anschluss ausge-
wertet und den Verbands-Verant-
wortlichen vorgestellt.
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