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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 3
Titelthema
ein, dass er das so nicht gesehen
habe. „Das konntest du auch nicht,
dafür müsstest du hinter dem Tor
stehen“, kommentiert Rainer. So
wie die Kamera, die diese Bilder
aufgezeichnet hat.
Als das Gespräch auf einen ausge-
fahrenen Ellenbogen in der ersten
Halbzeit kommt, ordnet Rainer
Werthmann das so ein: „Ein sehr
erfahrener Bundesliga-Schieds-
richter könnte das vielleicht noch
mit einer Ermahnung regeln, aber
es ist absolut im ,gelb’-würdigen
Bereich. Und deshalb war es rich-
tig, hier mit ‚Gelb’ einzusteigen.“
Auch für eine weitere Foul-Situa-
tion und deren Bewältigung durch
Bastian hat er viel Lob übrig: „Hier
ist die Schnelligkeit der Entschei-
dung gefragt, die Gestik und dass
du auf den Foulspieler zeigst. Eine
solche Entscheidung musst du
hundertprozentig verkaufen, damit
es zu keinen Diskussionen kommt.
Und genau das hast du gemacht.
Klasse!“
Thorsten Schriever, der Vierte Offi-
zielle an diesem Tag, berichtet von
einem aufgebrachten Trainer, der
auf den Rasen gestürmt ist. Nach
seinem „Ausflug“ habe der Trainer
ihn reumütig gefragt, ob er jetzt
auf die Tribüne müsse. Die fünf
lachen, und Rainer bestätigt: „Bei
ihm war immerhin das Unrechtsbe-
wusstsein da. Deshalb müssen wir
auch nicht päpstlicher sein als der
Papst, das habt ihr richtig
gemacht.“
Neben all’ dem Lob werden natür-
lich auch die kritischen Situatio-
nen angesprochen, das Fehlen
einer klaren Berechenbarkeit in
der ersten Halbzeit am Beispiel
einzelner Szenen. Dennoch schafft
es der Beobachter, die Kritik kon-
struktiv zu formulieren und mit
Ratschlägen für die Zukunft zu
versehen.
Und dann ist es so weit, das 2:1 für
Fürth fällt noch einmal – jetzt auf
dem Bildschirm. Wieder und wieder
schauen sich alle die Szene an, aber
die Worte des Beobachters lassen
keinen Interpretations-Spielraum:
„
Das war ein gravierender Fehler.
Ihr macht einen verdammt schwie-
rigen Job, und ich bin kein Freund
von Diskussionen über einzelne
Körperteile. Aber das hier war eine
klare Abseitsstellung. Ihr pfeift in
der Bundesliga, so etwas müsst ihr
sehen.“
Das Team schildert seine Sicht-
weise und versucht herauszufin-
den, wie Thomas das Abseits über-
sehen konnte. Wieder achtet Rai-
ner darauf, Tipps mit an die Hand
zu geben: „Wichtig ist, dass du die
Konzentration bis zum Abpfiff bei-
behältst! Das Stellungsspiel
machst du generell richtig, aber
hier musst du aufpassen. Die Sze-
nen sind so komplex, da darfst du
Das Team und der Coach bei der Nachbesprechung: Martin Petersen, Thomas Gorniak, Thors-
ten Schriever, Bastian Dankert und Rainer Werthmann (von links) tauschen sich intensiv aus.
Aufmerksam hört sich Bas-
tian Dankert die Einschätzun-
gen seines Coachs an.
Die Fernsehbilder lassen manchen Zweikampf aus einem
anderen Blickwinkel und damit in einem anderen Licht
erscheinen.
auch in der letzten Minute nicht
einen Augenblick unaufmerksam
sein.“
Bastian muntert seinen Assisten-
ten auf: „Wir gewinnen zusammen
als Team, und wir verlieren als
Team.“ Doch Thomas nimmt die
Schuld auf sich. „Vielleicht
kommst du jetzt auch öffentlich
unter Beschuss. Ich war mal in der
Bild-Zeitung mit Tomaten auf den
Augen abgebildet“, erzählt Rainer
von seinen eigenen Erfahrungen.
„
Wichtig ist, dass du dich der sach-
lichen Kritik stellst, dann aber wie-
der nach vorn schaust!“ Alle
nicken zustimmend.
18.45
Uhr:
Als die relevanten Spiel-
szenen besprochen sind, verlässt
das Team die Kabine und geht
durch das längst leere Stadion zu
den beiden Wagen, die die Schieds-
richter zum Bahnhof bringen.
Auch Rainer Werthmann macht
sich auf den Heimweg. Doch für
ihn ist der Arbeitstag noch immer
nicht zu Ende: Er muss zu Hause
seine Eindrücke am PC schriftlich
festhalten. Den Beobachtungsbo-
gen wird er dann später der
Schiedsrichter-Kommission des
DFB zukommen lassen.
Denn auch dort wollen die Verant-
wortlichen wissen, wie die neutra-
len Schiedsrichter-Experten in den
Stadien die Leistungen ihrer
Unparteiischen einschätzen.
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