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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 3
tion als Mittel zur Deeskalation
einsetzen“, erklärt Rainer. Es sei
wichtig, den Ton der Spieler zu
treffen: „Das ist eine von Bastians
Stärken. Deswegen rate ich ihm
oft, das gezielt einzusetzen.“
16.32
Uhr:
Während unten das bis-
her torlose Spiel weiterläuft, erläu-
tert der Coach die Situation: „Das
ist jetzt eine sensible Phase, Bastian
muss aufpassen, dass er außen vor
bleibt und nicht zu sehr in den
Fokus rückt.“ In diesem Moment
fällt durch Michel Bastos das erste
Tor, die Schalker fallen sich in die
Arme. Sechs Minuten später
schafft Felix Klaus allerdings den
Ausgleich für die Fürther.
Der Druck, der von beiden Mann-
schaften ausgeht, wird jetzt spür-
bar, Bastian muss immer häufiger
eingreifen. Bei der Auswechslung
von Julian Draxler in der 66. Minute
entlädt sich der Frust der Schalke-
Fans, wütende Pfiffe übertönen die
Stadionansage. „Das ist jetzt
genau das, was wir vorher bespro-
chen haben“, betont der Beobach-
ter, „die Stimmung kippt und rich-
tet sich gegen das eigene Team.
Jetzt muss er die Konzentration
besonders hochhalten, weil es zu
Frustreaktionen der Heim-Mann-
schaft kommen kann.“ Bastian
zeigt Nervenstärke und pfeift das
Spiel weiter souverän.
Die Nachspielzeit neigt sich schon
dem Ende zu, als Djurdjic in der
92.
Minute das 2:1 für das Schluss-
licht Greuther Fürth schießt. Kaum
ist das Spiel abgepfiffen, die weni-
gen Fürther Fans sind noch am
Jubeln, da ist Rainer bereits ver-
schwunden. Die Mitarbeiter von der
„
Sportschau“ in der Reihe vor uns
diskutieren aufgeregt und spulen
die Video-Aufnahmen zurück. Als
der Schiedsrichter-Beobachter
zurückkommt, bleibt ihm ein kurzer
Satz zu uns, bevor er von Fragen
bestürmt wird: „Das war Abseits.“
Nachdem er mit den Journalisten
gesprochen hat, lässt sich Rainer
Werthmann wieder auf seinem
Platz nieder. „Ein spielentschei-
dendes Abseitstor ist natürlich ein
gravierender Fehler, der sowohl in
der öffentlichen als auch in meiner
internen Bewertung ordentlich zu
Buche schlägt“, kommentiert der
Schiedsrichter-Beobachter. „Aller-
dings muss man hier auch eindeu-
tig differenzieren: Es war kein Feh-
ler des Schiedsrichters, sondern
des Assistenten.“
Der Coach nimmt sich die Zeit, in
Ruhe seine Notizen zu vervollstän-
digen, und klappt anschließend die
Mappe zu. „Jetzt muss ich den Fin-
ger in die Wunde legen, am Ende
wird man an Einzel-Entscheidun-
gen gemessen“, meint er ernst,
„
Ich muss jetzt versuchen, Wege
aufzuzeigen, wie ein solcher Fehler
verhindert werden kann. Rückgän-
gig machen kann man ihn nicht
mehr.“ Und während sich das Sta-
dion leert, macht sich Rainer auf
Ein Mann mit viel Erfahrung
Mehr als 20 Jahre lang war Rainer Werthmann für
den DFB als Schiedsrichter und Schiedsrichter-Assis-
tent im Einsatz. Bis 2006 war er in der Bundesliga
aktiv, bevor er aus Altersgründen ausschied. „Ich
war bei mehr als 400 Spielen im Einsatz und bildete
zusammen mit Hellmut Krug ein festes Gespann“,
blickt Rainer Werthmann auf seine aktive Karriere
zurück. Auch mit Thorsten Kinhöfer (Foto) leitete er
einige Bundesliga-Spiele. Neben seiner Tätigkeit als
Schiedsrichter-Coach ist der heute 53-Jährige als
Lehrwart im Fußball- und Leichtathletik-Verband
Westfalen aktiv.
Zur Person
Auch das gehört zum Job des Schiedsrichter-Coachs: ARD-
Reporter Jürgen Bergener fragt Rainer Werthmann nach sei-
ner Einschätzung einer Szene.
den Weg zu den Unparteiischen,
denn für die ist der Tag noch lange
nicht zu Ende.
17.45
Uhr:
Zurück in der Kabine
wartet der Beobachter, bis alle
Unparteiischen geduscht und
umgezogen sind. Als sie erfahren,
dass ein Abseitstor das Spiel ent-
schieden hat, ist die Stimmung
gedrückt. Bastian Dankert
bringt es auf den Punkt: „Das ist
wie ein Schlag ins Gesicht. Da
haben wir 90 Minuten ein gutes
Spiel gepfiffen, und dann so ein
Mist.“
Der Reihe nach fragt Rainer jeden
aus dem Team über seine Meinung
zu dem Spiel. Jeder von ihnen kri-
tisiert einzelne Szenen. Sie sind
sich aber darin einig, dass sie das
Spiel unter Kontrolle hatten. Der
Beobachter bestätigt ihre Sicht.
„
Die zweite Halbzeit war richtig
stark von euch, ihr habt das Spiel
souverän geleitet“, lobt er. „Aller-
dings wisst ihr auch, dass ihr an
problematischen Einzel-Entschei-
dungen gemessen werdet.“
Rainer nennt die Situationen, die
er sich notiert hat: „Das wären die
Dinge, die ich mir gerne mit euch
anschauen würde.“ Das Team nickt
zustimmend, und alle versammeln
sich gemeinsam in einem Halb-
kreis um den Bildschirm. Zusam-
men sprechen sie Situation für
Situation durch, und wie er es
immer macht, lässt sich der Beob-
achter stets die Sichtweise der
Unparteiischen erläutern.
Das Gespräch ist durch gegenseiti-
gen Respekt gezeichnet. „Hier
warst du schnell dabei, ,Tatort-Prä-
senz’ ist auch gefragt“, lobt Rainer
den Schiedsrichter. Als einer der
Assistenten zugibt, dass er eine
Szene in der ersten Halbzeit so
nicht gesehen habe, winkt der
Beobachter ab: „Das hättest du
auch gar nicht sehen können. So
etwas kriegen auch viele Teams
nicht hin, die schon lange einge-
spielt sind.“
Beim Studium des Fouls eines Für-
ther Spielers sind alle überrascht:
„
In dieser Einstellung sieht es nach
purer Absicht aus.“ Bastian räumt