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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 3
Rund 1.600 Fußballspiele hat Gerd Lamatsch geleitet – die spannendsten Geschichten hat der
Nürnberger Schiedsrichter in einem Buch zusammengefasst.
Porträt
Ein Buch voller Erinnerungen
Wer viele Jahre lang Schiedsrichter war, der weiß einige Geschichten zu erzählen. Und das gilt
nicht nur für Unparteiische, die in der Bundesliga aktiv waren. SRZ-Mitarbeiter Heinz Wraneschitz
stellt den ehemaligen Regionalliga-Schiedsrichter Gerd Lamatsch vor, der seine Erlebnisse in
einem Buch zusammengefasst hat.
T
eilweise ist es erbärmlich, wie
mit diesen Menschen umge-
gangen wird.“ Mit „diesen Men-
schen“ meint Gerd Lamatsch jene
etwa 75.000 Fußball-Begeisterten
in Deutschland, die Woche für
Woche als ehrenamtliche, geprüfte
Schiedsrichter ihren Mann oder
ihre Frau stehen. Amateure an der
Pfeife, aber von den Vereinen als
einziger Vollprofi unter 22 spielen-
den Amateuren der Kreisklasse
erwartet.
Lamatsch wünscht deshalb mög-
lichst vielen jungen Fußballern
einen solch guten Trainer, wie er
einst selbst in der B-Jugend hatte.
„
Als ich mal wieder sehr aufge-
bracht war über eine Schiedsrich-
ter-Leistung und mich darüber
beim Trainer ‚auskotzte’, sagte der
damals zu mir: ‚Mach doch erst
mal selbst den Schiedsrichter-
Kurs, leite ein paar Spiele, und
dann unterhalten wir uns nochmal
darüber.’“
Für den jugendlichen Nörgler war
dies vor 36 Jahren der Satz, der
ihn zum Schiedsrichter machte.
Am 18. September 1976 leitete
Gerd Lamatsch im Alter von
gerade mal 17 Jahren sein erstes
Spiel. Die C-Jugend-Mannschaften
des SV Maiach und der DJK Lang-
wasser standen sich damals
gegenüber.
Schon bald wurden die Spielklas-
sen höher, die Spielorte weiter
entfernt. Die Karriere von Gerd
Lamatsch sollte zwar nie bis „ganz
nach oben“ führen, aber als
Schiedsrichter immerhin bis in die
Regionalliga und als Linienrichter
in die 2. Bundesliga. In einer Zeit,
in der es noch keine 3. Liga gab,
war das schon etwas.
Lamatschs aufgeschriebene
Erinnerungen zeigen: Spannende
Erlebnisse als Schiedsrichter sind
nicht auf die höchsten Spielklas-
sen beschränkt. Er erzählt viel
von Bayerns Sportplätzen. 125
Bayernliga-Einsätze hat er in der
einst höchsten Spielklasse absol-
viert.
Dort erlebte Gerd Lamatsch zum
Beispiel, welchem „psychischen
Druck“ man als Schiedsrichter
ausgesetzt sein kann. „Es waren
10.000
Münchner Löwen los auf
dem normalen Fußballplatz in
Plattling, wo die Bande gerade
mal zwei Meter hinter dem Spiel-
feldrand verlief, natürlich ohne
Sicherheitszaun oder Gitter.“
Und dann kam auch noch der
Sicherheitschef 15 Minuten vor
Spielbeginn in die Kabine und
erklärte: „Herr Lamatsch, wenn es
mal richtig heiß werden sollte,
dann bewahren Sie bitte kühlen
Kopf und bleiben ruhig. Im Zwei-
felsfall werden wir Sie und Ihre
Kollegen beschützen und aus den
randalierenden Fans raushauen!
Wir haben Erfahrung.”
Nicht gerade beruhigend. Doch
Gerd Lamatsch kam heil aus die-
sem Hexenkessel heraus. Deshalb
ist für ihn „dieses Spiel eines mei-
ner Top-Erlebnisse. Ich habe dar-
aus viel zum Umgang mit Druck
sowie Aggressionen von außen ler-
nen können.“
Doch nicht immer ging alles gut:
Als Landesliga-Schiedsrichter war
Lamatsch zwischendurch auch mal
in der C-Klasse, der untersten Liga,
im Einsatz. Dort holte ein Spieler zum
Schlag gegen ihn aus. Er reagierte
instinktiv, wich mit seinem Kopf zur
Seite aus, weshalb er nur gestreift
und nicht voll getroffen wurde.
„
Ich war zunächst paralysiert,
geschockt, perplex. Wenige Sekun-