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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 3
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18.
Spieltag, FSV Mainz 05 gegen
den SC Freiburg:
Im Freiburger Straf-
raum umdribbelt der Mainzer Shawn
Parker in der 85. Minute zunächst
seinen Gegenspieler Flum und legt
sich dann den Ball mit dem linken
Fuß durch zwei weitere Freiburger
Abwehrspieler vor. Die Situation
spielt sich links vom Tor versetzt
auf Höhe der Torraumlinie ab. Einer
der beiden Abwehrspieler, Vegar
Hedenstad, geht mit dem rechten
Fuß zum Ball, kann diesen jedoch
nicht erreichen. Stattdessen befin-
det sich sein Bein jetzt im Laufweg
von Parker
(
Foto 8a vorige Seite)
.
Eine Kollision ist in dieser Situation
unausweichlich, wobei es schwierig
einzuschätzen ist, wann und durch
welchen Spieler die Kollision initi-
iert wird. Fällt Parker sozusagen in
diesen Kontakt hinein, weil er damit
rechnet, dass ihm in dieser engen
Situation schon irgendein Körper-
teil seines Gegenspielers im Weg
sein wird? Spekuliert er also mit
diesem Kontakt und hat die
Absicht (!), sich fallen zu lassen?
Denn der Mainzer weiß: Selbst wenn
er „durchkommt“, ist er danach in
keiner günstigen Schussposition
mehr.
Oder handelt es sich nicht eher um
ein ahndungswürdiges Beinstellen
des Freiburgers Hedenstad, der mit
seiner Aktion einfach zu langsam
ist, wie es das
Foto 8b
zu zeigen
scheint? Hier können wir den
Gedanken aus der vorigen Szene
wieder aufnehmen: Die häufigen
Versuche von Spielern, ein Foul zu
simulieren, gerade wenn sie versu-
chen, zwischen zwei Gegenspielern
hindurchzukommen, können beim
Schiedsrichter den Gedanken auslö-
sen: „Achtung, der will mich reinle-
gen!“ und lenken seine Entschei-
dungsfindung in eine bestimmte
Richtung. Hier führte sie zu einer
Gelben Karte für den Mainzer Par-
ker statt zum vertretbaren Straf-
stoß oder wenigstens dazu, das
Spiel laufen zu lassen.
Dass diese Gelbe Karte kurz vor
Schluss noch dazu beitrug, dass der
Mainzer wegen eines Foulspiels mit
Gelb/Rot“ vom Platz musste, war
zwar konsequent vom Schiedsrich-
ter, aber insgesamt natürlich
unglücklich.
Schlussbemerkung: Die immer „fei-
neren“ Methoden der Profis, einen
Vorteil für sich herauszuholen –
egal, ob beim Handspiel oder bei
der Simulation – zwingen die
Schiedsrichter, Wege zu finden, um
diese Unsportlichkeiten zu unter-
binden. Natürlich müssen sich die
Unparteiischen dabei innerhalb des
Regelwerks bewegen. Dass dabei
Auslegung und Anwendung der
Regeln nicht immer vollkommen
einheitlich sein können, liegt in der
Natur der Sache, wenn nämlich
Menschen und nicht Computer
urteilen.
Was man auch als kritischer
Betrachter dabei nie vergessen
sollte – und das gilt für das gesamte
Geschehen eines Spiels: Der
Schiedsrichter reagiert lediglich auf
das, was die Spieler tun. Wer also
nicht gegen die Regeln verstößt,
muss auch nicht mit Strafe rech-
nen.
Es ist das Samstagabend-Spiel zwi-
schen Borussia Mönchengladbach
und Werder Bremen, in dem Wolf-
gang Stark für Aufsehen sorgt, als
er ein Tor zurücknimmt, das er
zunächst anerkannt hatte.
Der Reihe nach: In der 15. Minute
greifen die Gladbacher durch die
Mitte an. Havard Nordtveit spielt
etwa auf Höhe der Mittellinie den
Ball schnell und flach nach vorne
(
Foto 1)
.
Die beiden Stürmer in zentraler
Position, Amin Younes und Patrick
Herrmann (weiße Trikots), stehen
zum Zeitpunkt der Ballabgabe nicht
im Abseits. Der weitere Gladbacher
Angreifer (am rechten Bildrand),
greift nicht aktiv ins Spiel ein, er
behindert auch keinen der Verteidi-
ger. Bis hierhin gehört die Szene
zum Tagesgeschäft eines Assisten-
ten. „Kein strafbares Abseits“,
registriert Jan-Hendrik Salver, also
kein Grund, die Fahne zu heben.
Sekundenbruchteile später gelangt
der Ball zentral zu Younes, der die-
sen mit der Hacke ganz leicht
berührt und ihm dadurch eine kleine
Richtungsänderung mitgibt.
Damit ist alles, was der Assistent
bisher bei diesem Spielzug an
Abseits-Bewertung vorgenommen
hat, hinfällig. Denn ob jemand im
Abseits steht, muss genau zu dem
Zeitpunkt festgestellt werden, „zu
dem der Ball von einem Mitspieler
berührt“ wird, wie es in Regel 11
heißt.
Die Ballberührung von Younes
müsste also bei Jan-Hendrik Salver
eine erneute Abseits-Einschätzung
auslösen. Und da sich in diesem
Moment auch der Gladbacher Herr-
mann (im Vordergrund) vor dem
Foto 8b
prallt aber (mit Absicht?) gegen den Oberschenkel seines Gegners.
Beim Zuspiel von Nordtveit stehen die beiden Gladbacher Stür-
mer (weiße Trikots) im Zentrum noch nicht im Abseits.
Analyse – Der besondere Fall
Sicherheit
vor Schnelligkeit
Wenn nach dem Spiel eine Entscheidung des
Schiedsrichters rauf und runter diskutiert wird,
dann bedeutet dies meist nichts Gutes. Am
25.
Spieltag war das anders: Für ihre vorbild-
liche Zusammenarbeit erhielten Wolfgang Stark
und sein Assistent Jan-Hendrik Salver von allen
Seiten viel Lob. Völlig zu Recht, wie David Bitt-
ner an dieser Stelle noch einmal darstellt.
Foto 1