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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 3
Kreisliga gehört er zu den bekann-
testen Unparteiischen, wird geach-
tet und respektiert.
Seine Tochter hatte ihn oft zu
Spielen begleitet; als sie sich dann
aber wünschte, selber die Prüfung
abzulegen, hatte der Vater Beden-
ken. „Schiedsrichter zu sein ist
nicht ohne, vor allem in Köln
nicht“, weiß Metin Sönmez aus
eigener Erfahrung: „Ich habe nie
darauf gedrängt, dass meine Toch-
ter ebenfalls dieses Hobby ausübt,
und ich werde sie auch nach dem
Lehrgang auf keinen Fall in irgend-
einer Art und Weise unter Druck
setzen.“ Seine Tochter findet das
gut. Was die Erwartungen an das
Schiedsrichter-Dasein angeht, ist
sie optimistisch: „Ich glaube
schon, dass es mir gefallen wird.
Der Lehrgang hat richtig Spaß
gemacht, und ich kann es gar nicht
erwarten, die ersten Spiele zu lei-
ten.“
Dass ihr Vater zunächst Einwände
hatte, kann sie verstehen. „Mein
Vater wollte wissen, ob ich es wirk-
lich ernst meine. Aber jetzt ver-
traut er mir und unterstützt mich,
wo er kann.“ Und auch Vater Metin
ist zufrieden: „Natürlich bin ich
stolz auf meine Tochter. Sie wird
sich schon durchsetzen können –
das liegt ja in der Familie.“
Während also auf dem Anwärter-
Lehrgang in Nippes große Vorfreude
und Optimismus die Oberhand
haben, kennen die Funktionäre im
Fußballkreis Köln auch die andere
Seite: hoffnungsvolle Talente, die
nach kurzer Zeit aufgehört haben.
Pascal Kaspar ist so ein Fall. Eine
ganze Weile ist es schon her, dass
der heute 22-Jährige sein letztes
Spiel geleitet hat. Ende Januar
2012
war das, schon mehr als ein
Jahr ist sein Schiedsrichter-Dasein
damit wieder Geschichte. Auf die
Frage, warum er nach so kurzer
Zeit wieder aufgehört hat, muss
der Student kurz überlegen: „Alles
in allem war es wohl die Tatsache,
dass man es nie allen recht
machen konnte. Egal, wie man ent-
schieden hat – irgendwer hat
immer gemeckert, und sei es nur,
um sein Kind nicht dumm daste-
hen zu lassen.“
Mit dem Pfeifen angefangen hatte
Pascal nach seinem Lehrgang im
November 2010: E-Jugend, D-Jugend,
C-Jugend – was man eben als Neu-
ling so bekommt. Am Anfang war
die Euphorie noch groß. Pascal
erzählt: „Freunde, die auch
Schiedsrichter waren und es heute
noch sind, haben meine Neugierde
auf dieses Hobby geweckt. Ich
habe angefangen, mich intensiver
für Fußball zu interessieren und
wollte außerdem meine Persön-
lichkeit weiterentwickeln – da
schien das Schiedsrichter-Dasein
perfekt geeignet.“
Schon in den ersten Spielen aber
zeigte sich, dass das nicht so ein-
fach werden sollte: „Mit den Spie-
lern auf dem Platz gab es eigent-
lich selten Probleme – aber was
von draußen da reingetragen
wurde, war manchmal schon jen-
seits der Schmerzgrenze.“ Pascal
erinnert sich an Trainer, die ihre
Spieler zur brutalen Spielweise
angestachelt und ihn dann nach
dem Verweis aus dem Innenraum
noch massiv bedroht haben. „Am
Ende packt man die Tasche schon
mit einem flauen Gefühl. Klar, man
kann die Leute in den Spielbericht
eintragen, aber wieviel dann im
Anschluss wirklich passiert,
bekommt man auch nicht unbe-
dingt mit.“
Natürlich gab es auch Spiele, in
denen alles gut lief. Pascal erzählt
von Situationen, in denen sich
Eltern nach dem Spiel dafür
bedankt haben, wenn man ihr Kind
mit Fouls und Beleidigungen nicht
einfach davonkommen ließ. „Sol-
che Spiele verschwimmen aber
etwas unter dem Eindruck, den die
überwiegende Aggressivität von
Trainern und Eltern hinterlassen
hat.“ Nach etwas mehr als einem
Jahr zog Pascal dann die Konse-
quenzen und hörte auf. Eine inter-
essante Erfahrung war es auf
jeden Fall. Sein Fazit fällt dennoch
ernüchternd aus: „Ich bin jemand,
der bei Konflikten gerne einen
Kompromiss finden will, mit dem
alle Beteiligten gut zurechtkom-
men. Beim Schiedsrichtern hat das
leider nicht so geklappt.“
Marco Feith und Miho Katic aus
dem Kölner Schiedsrichter-Aus-
schuss kennen solche Fälle nur
allzu gut. Die Patentlösung haben
sie zwar auch nicht parat, trotz-
dem versuchen sie natürlich alles,
um die neuen Schiedsrichter
intensiv zu betreuen. Marco Feith
berichtet: „Gute Erfahrungen
haben wir mit unserem Paten-
System gemacht, bei dem erfahrene
Schiedsrichter unsere neuen
Kameraden in ihren ersten Spie-
len coachen und sie auch vor
Anfeindungen durch Vereinsoffi-
zielle oder Zuschauer schützen.
Tochter Binnur hat sich ent-
schlossen, den gleichen Weg
wie ihr Vater Metin Sönmez
zu gehen und Schiedsrichte-
rin zu werden.
Die Zahl der Schiedsrichterinnen hat sich in den vergangenen 34
Jahren mehr als vervierfacht. Insbesondere seit Anfang der 90er-
Jahre stieg die Zahl weiblicher Unparteiischer stark an und erreichte
2011 –
im Jahr der Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland – ihr bis-
heriges Maximum von 2.790 Schiedsrichterinnen. Im vergangenen
Jahr waren 2.728 Schiedsrichterinnen aktiv.
Nachdem die Zahl aktiver Schiedsrichter seit 1979 relativ stetig
anstieg, erreichte sie im Jahr 2006 ihren maximalen Wert: 79.341
Schiedsrichter waren damals bundesweit verzeichnet. Seitdem fällt
der Graph wieder langsam. Im Jahr 2012 waren es 73.291 Schiedsrich-
ter – ein Minus von mehr als 9 Prozent innerhalb von sechs Jahren.
Klar, dass dies Ansetzer oftmals vor Probleme stellt.
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