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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 3
noch bevor sie richtig angefangen hat. Warum ist das so? Tobias Altehenger
die schwersten
schusses, nennt die Zahlen: „Vor
zehn Jahren waren wir im Fußball-
kreis Köln 1.000 Schiedsrichter,
heute sind wir nur noch rund 600.“
Deshalb ist es für den Fußballkreis
Köln überlebenswichtig, perma-
nent neue Schiedsrichter auszubil-
den. Der Lehrgang am Totensonn-
tag ist bereits der dritte des Jah-
res, alle besetzt mit etwa 40
Anwärtern. Eigentlich eine sehr
gute Zahl, findet Miho Katic. Als
langjähriger Schiedsrichter der
Mittelrheinliga weiß Katic aber
natürlich auch um die Anforderun-
gen, die der Fußball an seine Spiel-
leiter stellt. „Man ist – gerade in
einem Gebiet wie Köln, und gerade
auch in den untersten Klassen –
extremen Herausforderungen aus-
gesetzt. Ich kann da jeden jungen
Kollegen verstehen, der nach einer
gewissen Zeit merkt, dass das ein-
fach nichts für ihn ist. Für uns als
Ehrenamtler ist das aber natürlich
immer sehr schade, diese jungen
Leute so schnell wieder zu verlie-
ren.“
In Nippes ist davon natürlich noch
keine Rede. Die Teilnehmer sind
motiviert und fiebern der Prüfung
entgegen. So auch der 15-jährige
Julian Knobelspies. Viele sind hier
in seinem Alter, und viele haben
eine ähnliche Geschichte zu er-
zählen. Zehn Jahre hat er selber
Fußball gespielt, dann aufgehört
und nach einer Möglichkeit
gesucht, die Verbindung zum Fuß-
ball aufrechtzuerhalten. Von
Schulfreunden, die ihren Anwär-
ter-Lehrgang schon absolviert
hatten, bekam er den Tipp und
war sofort Feuer und Flamme.
Irgendwer muss es schließlich
machen – warum nicht ich?“, sagte
sich der Schüler und meldete sich
beim Schiedsrichter-Ausschuss in
Köln. Dass viele junge Schiedsrich-
ter schnell wieder aufhören, kann
er nachvollziehen. „Für viele ist
der Druck vielleicht einfach zu
hoch, vor allem in kritischen Spie-
len.“ Julian will sich dieser Druck-
situation aber stellen. An ein
schnelles Ende seiner Schiedsrich-
ter-Tätigkeit glaubt er nicht.
Auch Artur Warketin freut sich
schon auf seine ersten Einsätze.
Der 24-Jährige ist gleich in mehr-
facher Hinsicht ein Exot beim
Anwärter-Lehrgang in Nippes.
Für die Schiedsrichter-Prüfung
ist er extra aus dem oberbergi-
schen Wiehl angereist. Aus die-
sem Grund wird er später auch
gar keine Spiele in Köln, sondern
im Fußballkreis Berg leiten. Doch
da wäre der nächste Lehrgang
erst in ein paar Monaten gewesen –
und so lange wollte Artur einfach
nicht warten. Selber im Verein
gespielt hat er nie, auch das ist
ungewöhnlich für einen Anwärter.
Und schließlich ist da noch das
Alter: Mit 24 Jahren gehört Artur
zu den Ältesten bei dem Lehr-
gang. Schlechte Voraussetzungen
also? „Ach was“, schmunzelt
Artur, „für die große Karriere wird
es vermutlich nicht mehr reichen,
aber ich hatte einfach Lust aufs
Pfeifen.“
Obmann Katic kann ihm da nur bei-
pflichten. „Vor allem in dieser
Altersklasse fehlt den Fußballkrei-
sen der Nachwuchs, da viele, für
die es zur großen Karriere nicht
reicht, sich umorientieren und ein
neues Hobby suchen. Auch der Ein-
stieg ins Berufsleben spielt da
natürlich eine Rolle.“ So findet es
Katic fast ein wenig schade, dass
Artur Warketin später nicht im
Kreis Köln aktiv sein wird. Seine
Ausbildung bekommt er hier aber
trotzdem. „Gerade bei einem heik-
len Thema wie Schiedsrichter-
Fluktuation müssen sich die Kreise
untereinander helfen“, glaubt
Katic. „Das fängt schon bei der
Ausbildung an.“
Die einzige weibliche Teilnehmerin
beim Kölner Anwärter-Lehrgang ist
Binnur Sönmez, gerade mal 13 Jahre,
aber beileibe nicht schüchtern.
Schließlich hat sie ein großes Vor-
bild: Der Vater, Metin, ist selbst
seit mehr als 20 Jahren Schieds-
richter und sitzt zudem in der
Kreisspruchkammer. In der Kölner
Gründe zum Aufhören
sind vielfältig
Rund 7.000 Unparteiische beenden
pro Jahr ihre aktive Tätigkeit. Im
Jahr 2011 wurden die Aufhörer
nach dem Grund gefragt, warum
sie der Schiedsrichterei den
Rücken kehren. Dabei gaben sie
folgende Antworten:
Beruf
17,0%
Aufgabe befriedigt nicht
12,7%
Streichung/Ausschluss
11,2%
Familiäre Situation
9,7 %
Alter
9,2 %
Gesundheit
5,4 %
Überforderung
4,1 %
Fehlende Perspektive
3,3 %
Kursversäumnisse
3,2 %
Vorfälle bei Spielleitungen 2,2 %
Andere Sportart gewählt
2,2 %
Auslandsaufenthalt
1,8 %
Sonstiger oder
18 %
unbekannter Grund
Befragung unter
ehemaligen Schiedsrichtern
Die Schiedsrichter-Anwärter müssen bei der Theorieprüfung
sowohl Multiple-Choice- als auch „normale“ Regelfragen
beantworten.
Die Anwärter-Prüfung ist
inzwischen bundesweit ein-
heitlich.