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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 3
eines Auslands-Aufenthalts Fußballspiele in anderen Ländern leiten. Es geht aber auch andersherum:
und jetzt auch auf den hiesigen Fußballplätzen pfeifen.
en deutschen Winter
wird später erzählen, dass es das
erste Mal in ihrem Leben ist, dass
sie echten Schnee auf der Haut
gespürt hat. Trotzdem lässt sie
sich auf dem Platz nichts anmer-
ken, sondern pfeift das Spiel pro-
fessionell zu Ende.
Erst nach Abpfiff hält sie ihre
Hände in die Luft und betrachtet
die schmelzenden Schneeflocken.
Es ist so kalt!“, meint sie erstaunt
und reibt ihre Hände aneinander.
Lachend erzählt sie, dass sie ihre
kurzen Klamotten von nun an in
den Schrank verbannt. Ab sofort
werde sie sich ebenfalls warm
anziehen und Handschuhe tragen.
Adama berichtet schmunzelnd,
dass einige der zuschauenden
Mütter ihren Kindern gar heißen
Tee in Thermoskannen bereitge-
stellt hätten. So etwas habe sie
noch nie gesehen.
Ihre ältere Schwester Mariama
stößt zu uns und erklärt, im Sene-
gal gebe es nur zwei Jahreszeiten:
den Sommer und die Regenzeit.
Letztere dauere nur um die drei
Monate. Und kalt werde es trotz
des Regens nicht. Im Sommer sei
es in ihrer Heimat dann zwischen
30
und 40 Grad warm. Amüsiert
erzählen sie vom Skypen mit ihrer
Familie, bei der der Klimaunter-
schied regelmäßig Thema sei. Ihre
Eltern könnten es dann kaum glau-
ben, dass sie in warmer Kleidung
vor dem Computer sitzen.
Adama und ihre Schwester spre-
chen gebrochenes Deutsch, was
sie aber nicht davon abhält, viel zu
reden und noch mehr zu lachen.
Ein viermonatiger Sprachkurs ist
Teil ihrer Ausbildung in Deutsch-
land, doch die beiden jungen
Frauen würden gern intensiver
die deutsche Sprache lernen.
Die Deutschen reden so wenig“,
bedauert Adama. Im Senegal spre-
che jeder mit jedem, aber hier
würden viele Menschen für sich
bleiben. Das sei vor allem für sie
ungewohnt, da sie selbst gerne
viel rede, lacht Adama. Ein vielsa-
gender Blick der älteren Schwester
bestätigt diese Selbsteinschät-
zung. Mit Kindern lerne sie die
deutsche Sprache leichter, erzählt
Adama. Stolz nennt sie Begriffe,
die sie auf dem Fußballplatz
bereits verwendet: „So, weiter“,
zurück“, „komm bitte“, „lang-
sam“.
Auf dem Platz spiele der Sprach-
unterschied keine Rolle, erklären
die beiden. Schließlich sei es nicht
anders, in Deutschland zu pfeifen.
Die Regeln seien international und
die Verständigung meist auch.
Vielleicht seien die Kinder in
Deutschland etwas braver als im
Senegal, fügt Mariama augenzwin-
kernd hinzu. Zumindest habe es
keine nennenswerten Vorkomm-
nisse während des Spiels gegeben.
Die beiden afrikanischen Schieds-
richter-Schwestern sprechen aus
Erfahrung: In ihrer Heimat pfeifen
sie gewöhnlich drei Spiele pro
Woche. Adama macht das seit sie-
ben Jahren, Mariama erst seit drei.
Der Spielbetrieb im Senegal ist
ähnlich aufgebaut wie in Deutsch-
land“, erklärt Adama. Jeder
Ortsteil habe seine eigene Mann-
schaft, daher gäbe es viele Mann-
schaften in ihrer Heimat. Genau
wie in Deutschland spielen die
Teams um einen Platz in den Ligen.
Um in der höchsten Liga pfeifen zu
dürfen, fehle ihr nur noch eine ein-
zige Prüfung, erzählt die 31-Jährige.
Auf die Zulassung zu dieser Prü-
fung warte sie gerade. Ihr Traum
sei es, später einmal wichtige
internationale Spiele zu pfeifen.
Jetzt müsse sie aber los, den
Spielbericht verfassen, meint
Adama. Das bereitet ihr noch die
meisten Schwierigkeiten, denn
dafür brauche sie die deutsche
Sprache. Aber zum Glück gebe es
ja die vorgefertigten Formulare.
Und dann wolle sie mit ihrer
Schwester auch noch ein Foto
machen, für das sie sich in den
Schnee legen. Wieder lachen beide:
Dass sie sich anschließend mit
warmen Decken ins Bett begeben
und die Heizung aufdrehen, müs-
sen die Freunde in der Heimat ja
nicht unbedingt erfahren.
Bei den Spielleitungen wollen die Afrikanerinnen ihr Deutsch
verbessern.
Adama (links) verbringt die 14 Monate in Deutschland gemein-
sam mit ihrer Schwester Mariama.