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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 3
Blick in die Presse
Olaf Paare
berichtet über eine
Aktion des Südwestdeutschen Fuß-
ballverbandes.
Das Jahr 2013 erklärt der Südwest-
deutsche Fußballverband (SWFV)
zum „Jahr des Schiedsrichters“.
Mit Veranstaltungen, Aktionen und
Maßnahmen möchten Präsident
Dr. Hans-Dieter Drewitz (Haßloch),
Verbands-Schiedsrichter-Obmann
Erhard Blaesy aus Niederhausen
und viele Mitstreiter die Unpartei-
ischen in den Fokus rücken. Dre-
witz betonte in Edenkoben bei der
Vorstellung des Konzepts, „dass
wir nicht auf die aktuelle Gewalt-
Diskussion reagiert haben“. Die
Vorfälle der vergangenen Wochen
würden aber zeigen, wie wichtig es
sei, die Öffentlichkeit für die Auf-
gabe der Schiedsrichter zu sensi-
bilisieren.
Über rund 1.600 Schiedsrichter
verfügt der SWFV derzeit – viel zu
wenige, um die 2.300 Spiele am
Wochenende zu besetzen. In eini-
gen Klassen (Jugend, Frauen, Män-
ner-Kreisklassen) müssen die Fuß-
baller deshalb bereits ohne Unpar-
teiischen auskommen. Viele junge
und ältere Referees prägen die
Vereinigungen. „Der Mittelbau
fehlt“, sagt Drewitz und will ver-
stärkt um die 30 bis 40 Jahre alten
Fußballer werben, die ihre Schuhe
an den Nagel hängen. Die Bundes-
liga dient da nicht mehr als Per-
spektive, aber immerhin die
Bezirksliga. „Es ist doch etwas
Spannendes, ein Spiel in der
Bezirksliga zu leiten“, macht Dre-
witz Appetit.
Zweiter Adressat der Aktionen sind
die Vereine, und dort speziell die
Trainer und Spieler. „Viele Vereine
meinen ja, der Schiedsrichter ist
ein Abgesandter des Verbandes
und damit zum Abschuss freigege-
ben. Dem ist nicht so. Da wünsche
ich mir ein Umdenken“, sagt Dre-
witz.
Bei den Vereinen setzt der Süd-
westdeutsche Fußballverband des-
halb konkrete Maßnahmen an, die
mit Beginn der Rückrunde greifen:
1.
Die Spieler sollen sich und den
Schiedsrichter vor dem Spiel
mit Handschlag begrüßen - ana-
log zum Vorgehen in der Cham-
pions League. Drewitz: „Wer
sich die Hand gegeben hat, dem
fällt es schwerer, sich zehn
Minuten später zu verhauen.“
2.
Die Vereine müssen bei jedem
Spiel einen Schiedsrichter-Ver-
antwortlichen abstellen, der
den Unparteiischen von der
Ankunft am Sportplatz bis zur
Abreise begleitet. Der Name der
Person soll in den Spielbericht
aufgenommen werden. Derjenige
kann somit in die Verantwor-
tung genommen werden.
Zudem möchte der SWFV den Dia-
log zwischen den Vereinen und
den Schiedsrichtern intensivieren
und mit zehn Veranstaltungen
über das Jahr verteilt Impulse set-
zen. In jedem Kreis sollen Unpar-
teiische und Vereinsvertreter so
ins Gespräch kommen. Drewitz
wünscht sich möglichst viele Aktive,
vor allem Trainer und Spieler, bei
den Abendterminen. Für die lizen-
zierten Übungsleiter wird die Teil-
nahme an den Treffen sogar als
Fortbildungs-Veranstaltung ange-
rechnet, um sie anzulocken.
Bei diesen Veranstaltungen soll
auch der Schulterschluss zwischen
Spitzen- und Basis-Schiedsrichtern
geübt werden. Die Bundesliga-
Referees werden zu Gast sein,
wenn über die Probleme und Nöte
gesprochen wird. Als FIFA-Schieds-
richter ist Christian Dingert die
Nummer eins im Südwesten. Ihm
liegt aus eigener Erfahrung am
Herzen, dass die meist jungen Neu-
linge in der Anfangszeit von
erfahrenen Hasen“ begleitet wer-
den. Deshalb soll im „Jahr des
Schiedsrichters“ das Paten-System
intensiviert werden. Im Kreis Alzey
wurden damit gute Erfahrungen
gemacht. Kreis-Obmann Karlfried
Appelmann berichtete, dass in den
vergangenen vier Jahren 600
Begleitungen organisiert wurden
und die Absprungquote verhältnis-
mäßig gering sei. „Das erste Jahr
ist das schwierigste“, weiß Dingert.
Neue Referees gewinnen, dem bis-
herigen Schiedsrichter-Stamm den
Rücken stärken und das Verhältnis
zwischen Unparteiischen und Ver-
einen verbessern – der Südwest-
deutsche Fußballverband hat sich
zweifelsohne viel vorgenommen
für sein „Jahr des Schiedsrich-
ters“.
Klaus Hoeltzenbein
machte sich
nach dem TV-Urteil gegen Benja-
min Lauth (vier Spiele Sperre)
Gedanken über Bewegungsmuster.
Seit zwei, drei Jahren erfolgt zum
Start der Bundesliga aus der Zunft
der Schiedsrichter stets eine ähnli-
che Ansage: Vorrangiges Ziel sei
es, die Ellenbogenschläge aus dem
Spiel zu pfeifen. Schließlich sei
man immer noch beim Fußball,
nicht bei Ultimate Fighting, einer
Kampfsportart, bei der nach unten
gerichtete Schläge mit der Spitze
des Ellenbogens allerdings auch
als Foul gewertet werden. Dass
eine Ahndung durch die Schieds-
richter pädagogische Effekte erzie-
len kann, hat sich gezeigt bei der
Ächtung der Grätsche von hinten,
volkstümlich als „Blutgrätsche“
bekannt. Zumindest im professio-
nellen Fernseh-Fußball ist sie zu
einer Rarität geworden, die nie-
mand vermisst.
Was beweist, dass Profis sich wie
das Chamäleon anpassen können
an die Regeln, die die Umwelt
setzt. Und so wundert es, dass
trotz all’ der guten Vorsätze der
Schiedsrichter der spitze Ellenbo-
gen weiterhin in Mode zu sein
scheint. Mit der Folge, dass Sebas-
tian Kehl, der Dortmunder Kapi-
tän, jüngst mit Maske spielte, sein
Kollege Sven Bender, der im Jahr
2012
ohnehin fast nur aus Beulen
bestand, trotz Nasenbeinbruchs
nicht pausierte, und Bastian
Schweinsteiger nach einem
Gesichtstreffer im Bayern-Derby
mit dem 1. FC Nürnberg meinte, der
Gegner habe „nur auf den Körper
gespielt“.
Insofern kommt dem Urteil gegen
einen sonst eher besser beleu-
mundeten Spieler wie Benjamin
Lauth demonstrativer Charakter
zu. Jeder Profi muss dazu angehal-
ten werden, sich Bewegungsmus-
ter anzutrainieren, die nicht akut
gesundheitsgefährdend sind. Vor-
satz oder nicht, das ist nicht die
Frage. Denn jeder halbwegs gut
geschulte Profi weiß ziemlich
genau - und das bestätigen viele
auch im Hintergrundgespräch -, wo
gerade der Kopf des Kollegen ist.
Der Fußball hat durch die Ächtung
der Grätsche nichts an Rasanz ver-
loren, im Gegenteil. Und dass ein
solider Kopfball auch ohne ultima-
tives Einschüchterungsverhalten
möglich ist, haben Experten wie
Uwe Seeler, Horst Hrubesch, Dieter
Hoeneß oder Karlheinz Riedle einst
in hoher Luft bewiesen.
Trägt die Bundesliga plötzlich rosa
Schuhe, trägt auch die Kreisklasse
rosa Schuhe. Treten die da oben
beim Jubeln die Eckfahnen um,
treten auch die da unten Eckfah-
nen um. Insofern ist da die Hoff-
nung, dass es hinab in die Kreis-
klasse positiv abstrahlt, wenn die
da oben sich aus der Ellenbogen-
Gesellschaft lösen.
Schiedsrichtern
den Rücken stärken
Grenzen für
Chamäleons