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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 3
Analyse
verboten, wie es in Regel 11 heißt:
„
Die Abseitsstellung eines Spielers
stellt an sich noch kein Vergehen
dar.“ Bestraft wird der Spieler erst
dann, wenn er „aktiv am Spiel teil-
nimmt“. Erfüllen die beiden Dort-
munder eines der drei Kriterien,
die der Regeltext dafür vorsieht?
Greifen sie ins Spiel ein? Nein,
keiner von beiden berührt den
Ball. Oder beeinflussen sie einen
Gegner? Nein, der Torwart wird
nicht irritiert und auch sonst nie-
mand. Oder ziehen sie aus ihrer
Position einen Vorteil? Nein, sie
schauen einfach nur dem ins Netz
fliegenden Ball zu.
Also: Abseits ja, strafbar nein.
Deshalb lagen Schiedsrichter
Günter Perl und sein Assistent
Georg Schalk mit der Anerken-
nung des Tores völlig richtig. Dass
Zuschauer mit dem Ruf „Das war
doch klar Abseits!“ ausdrücken
wollen, dass der Schiedsrichter
gefälligst pfeifen soll, lassen auch
ganz pingelige Regelexperten gel-
ten. Denn niemand würde ja
rufen: „Das war doch ganz klar
strafbar Abseits!“
Ähnlich verhält es sich übrigens
bei der Berührung des Balles mit
der Hand. Die ist ja auch nicht
verboten, solange es nicht mit
Absicht geschieht. Aber dazu
kommen wir später.
5.
SPIELTAG
■
VfB Stuttgart –
1899
Hoffenheim
Auch hier geht es um eine Abseits-
position, die unstrittig ist, aber
auch hier ist die Frage: strafbar
oder nicht? Als der Hoffenheimer
Joselu den Ball aufs Tor schießt,
kreuzt sein Mitspieler das Sicht-
feld des Torwarts. Im Standbild
(
Foto 3)
ist das gut zu erkennen,
sodass hier ein Abseitspfiff ange-
bracht gewesen wäre. Da der
parallel zum Tor laufende Spieler
sich aber sehr schnell bewegt,
kann der Assistent aus seiner
Position nicht sicher beurteilen,
sondern höchstens erahnen, ob
der Angreifer den Torwart wirk-
lich irritiert.
Zu lösen ist eine solche Situation
praktisch nur mit Hilfe eines
Headsets. Der Assistent sagt
„
Abseits“, der (hoffentlich gut
postierte) Schiedsrichter „im
Sichtfeld“, dann kommen Fahne
und Pfiff und der indirekte Frei-
stoß für die verteidigende Mann-
schaft. Ohne elektronische Hilfs-
mittel lässt man im Zweifelsfall
am besten das Spiel laufen.
■
Eintracht Frankfurt – Borussia
Dortmund
Im spannenden und abwechs-
lungsreichen Spitzenspiel dieses
Spieltags, das 3:3 endet, hat der
Vierte Offizielle Guido Kleve vor
allem in den letzten Minuten
Schwerstarbeit zu verrichten. Im
mit 51.500 Zuschauern ausver-
kauften Frankfurter Stadion lässt
allein schon die Torfolge (0:1, 0:2,
1:2, 2:2, 2:3, 3:3)
die Emotionswel-
len hochschlagen – und das nicht
nur auf den Tribünen und dem
Spielfeld, sondern vor allem
gegen Schluss des Spiels auch an
den Auswechselbänken.
Trotz aller Bemühungen, deeska-
lierend zu wirken, kann Guido
Kleve, Rechtsanwalt von Beruf,
vor allem den Dortmunder Trainer
an diesem Abend nicht im Zaum
halten
(
Foto 4)
.
Jürgen Klopp
wird auf die Tribüne verwiesen.
Letztlich sind es nicht nur die
Wahl der Worte, sondern auch
Gestik, Mimik und der Tonfall
gegenüber dem Vierten Offiziel-
len, die dafür den Ausschlag
geben. Vom oft beschworenen
und versprochenen Respekt
gegenüber den Unparteiischen
war in dieser Situation nichts
zu spüren, deshalb blieb nur
diese vollkommen berechtigte
Maßnahme.
6.
SPIELTAG
■
1899
Hoffenheim – FC Augsburg
Schon einige Male gingen Spieler
in dieser Saison mit „offener
Sohle“ zu Werke. Wir haben das
gerade in der vorigen Ausgabe
der Schiedsrichter-Zeitung ange-
prangert. Ein besonders schlim-
mes Beispiel für diese nicht hin-
nehmbaren, üblen Fouls ereignet
sich in diesem Spiel. Der Hoffen-
heimer Salihovic trifft seinen
Gegenspieler Werner mit dem
quer gestellten Stollenschuh im
…
und das Bein des Augsburgers Werner böse umknickt.
Der Ball ist schon gespielt, als Sejad Salihovic mit „offener
Sohle“ zutritt,…
Die Grenze überschritten: Trainer Jürgen Klopp im „Gespräch“
mit Guido Kleve.
Im Standbild ist die strafbare Abseitsstellung deutlich zu
sehen, das reale Lauftempo des Angreifers macht das Erken-
nen für den Assistenten sehr viel schwerer.
Foto 3
Foto 4
Foto 5
Foto 6