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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 3
wird sie akzeptiert und von den
Beteiligten als richtig wahrgenom-
men. Denn je länger der Schieds-
richter zur Entscheidungsfindung
braucht, umso größer werden die
Proteste oder Einflussversuche
der Spieler ausfallen. Dennoch gilt
auch hier der bewährte Grundsatz
„
Sicherheit vor Schnelligkeit“. So
sollte der Schiedsrichter in der
kurzen Zeitspanne alle ihm zur
Verfügung stehenden Möglichkei-
ten ausschöpfen, um zum richti-
gen Schluss zu kommen: beispiels-
weise mithilfe der schnellen Infor-
mation durch den Assistenten und
anhand des Verhaltens der betei-
ligten Spieler.
Inwieweit können die unmittelba-
ren Reaktionen der Spieler nach
dem Zweikampf dem Schiedsrich-
ter bei seiner Entscheidungsfin-
dung helfen?
Meyer:
Der Verteidiger reißt häu-
fig sofort beide Arme nach oben
als wolle er sagen: „Ich habe den
Stürmer nicht berührt!“ Diese ver-
meintliche Unschuldsbeteuerung
kann der Schiedsrichter meist
aber eher als Schuldeingeständnis
werten, als Zeichen, dass der Ver-
teidiger den Stürmer sehr wohl
touchiert hat. Ein Hochreißen der
Beine vor dem Fallen oder ein
Nachvornereißen der Arme beim
Fallen sind Anzeichen dafür, dass
der Stürmer beim Sturz nachhilft,
die Situation dramatischer darzu-
stellen, und damit einen Strafstoß
herausholen will.
Worauf muss der Schiedsrichter
besonders achten, nachdem er
seine Entscheidung – ob Strafstoß
oder nicht – getroffen hat?
Meyer:
Der Schiedsrichter sollte
neben der Entscheidung auf Straf-
stoß oder „Schwalbe“ nicht die
Persönliche Strafe vergessen,
wenn diese zwingend ausgespro-
chen werden muss. In jedem Fall
muss der Schiedsrichter auf
unmittelbare Spielerproteste vor-
bereitet sein, entweder auf die der
Verteidiger, wenn er auf Strafstoß
entscheidet, oder auf die der Stür-
mer, wenn er das Spiel weiterlau-
fen lässt. Zudem können unmittel-
bar Spieler beider Mannschaften
aneinandergeraten, und durch
eine kritische Situation im Straf-
raum kann sich sofort der Spiel-
charakter verändern.
Wie sollte der Schiedsrichter rea-
gieren, wenn ihm nach dem Pfiff
Zweifel an seiner Entscheidung
kommen, zum Beispiel aufgrund
heftiger Spielerproteste?
Meyer:
Nun, es gibt wohl kaum
eine Strafstoß-Entscheidung, die
nicht von Protesten begleitet wird.
Der Schiedsrichter sollte nach
außen seine Entscheidung klar,
deutlich und mit unmissverständ-
licher Körpersprache vertreten.
Keinesfalls sollte ein Schiedsrich-
ter im weiteren Spielverlauf über
die getroffene Entscheidung nach-
denken, sondern sich vollständig
auf die kommenden Spielsituatio-
nen konzentrieren. Der richtige
Zeitpunkt für die Reflexion ist
nach dem Spiel.
Hat sich der Schiedsrichter – wie hier Florian Meyer – einmal
auf Strafstoß festgelegt, muss er seine Entscheidung souverän
„
verkaufen“.
Mannschaft den Ball nicht nach
vorn legt.
Bleiben noch die Vergehen beim
Torwartspiel: Mit dem regeltechni-
schen Privileg, dass der Torwart
als einziger Spieler den Ball im lau-
fenden Spiel in die Hand nehmen
darf, sind ihm zugleich auch Ein-
schränkungen auferlegt worden.
Noch zu Zeiten eines „Radi“
Radenkovic, der ehemaligen Num-
mer 1 des TSV 1860 München, durfte
der Torwart den Ball beliebig lange
mit den Händen kontrollieren und
damit bei einer knappen Führung
seines Teams wertvolle Zeit her-
ausholen. Heute kann er keinen
unsportlichen Vorteil mehr aus
solchen Situationen ziehen. Die
„
Rückpassregel“ wurde ebenso
eingeführt wie die Sechs-Sekun-
Die Rolle des Torwarts ist beim Kampf um den Ball gesondert
zu betrachten.
den-Regel. Der Torwart ist zudem
oft involviert, wenn der Schieds-
richter im Strafraum schwierige
Entscheidungen treffen muss –
zum Beispiel, wenn der Torhüter
im Vorfeld einer Torerzielung
behindert oder attackiert wird.
Die Verfasser der DFB-Lehrbriefe
haben sich in der Ausgabe 46 des-
halb intensiv mit Strafraum-Situa-
tionen befasst und geben eine
Vielzahl von Hinweisen zur Lehrar-
beit, die mit Hilfe von Videoszenen
aus dem Bundesliga-Geschehen
veranschaulicht werden.
Es gibt also wieder viel neuen
Stoff, den die Lehrwarte der rund
500
Schiedsrichter-Gruppen in
Deutschland ihren „Schülern“
näherbringen können.
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