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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 2
Gegner vorbei gespielt, so dass
der Freiburger Schuster zu spät
kommt und Müller mit seinem lin-
ken Bein zu Fall bringt
(
Foto 4).
Der Strafstoß ist berechtigt. Ebenso
ist es völlig angemessen, die-
ses Vergehen ohne Persönliche
Strafe abzuhandeln. Denn es han-
delt sich um ein ganz „normales“
Foul, das auch außerhalb des
Strafraums ohne Verwarnungskarte
bleibt.
Nur 13 Minuten später kommt
es zu der vergleichbaren Szene im
anderen Strafraum. Auch hier liegt
ein Körperkontakt vor, nachdem
der Angreifer zu Fall kommt. Aller-
dings handelt es sich bei diesem
Zweikampf zwischen dem Mainzer
Noveski und dem Angreifer
Schmid um einen fußballtypischen
und erlaubt harten Körpereinsatz
im Oberkörperbereich
(
Foto 5a).
Deshalb ist „weiterspielen“ die
richtige Entscheidung von
Schiedsrichter Deniz Aytekin.
Bemerkenswert ist hier auch das
Stellungsspiel des Schiedsrichters
(
Foto 5b),
mit dem er sich einen
guten Blick auf die Szene ver-
schafft und damit seiner Entschei-
dung noch mehr Glaubwürdigkeit
gibt.
Und noch ein Aspekt dieser „Dop-
pel-Entscheidung“ soll kurz
erwähnt sein: Deniz Aytekin hat
hier auch den leisesten Ansatz
von „Konzession“ vermieden,
indem er alles ausblendete, was
nichts mit der unmittelbaren Situa-
tion auf dem Spielfeld zu tun hatte
und sich einfach an die Fakten
hielt.
BUNDESLIGA, 2. SPIELTAG
FC Bayern München –
VfB Stuttgart
Dieser süddeutsche Klassiker
steckt für den Schiedsrichter fast
immer voller Brisanz. Selbst wenn
das Ergebnis wie in diesem Fall
eindeutig ist, entstehen immer
wieder mal Brandherde, die rasch
gelöscht werden müssen.
Es steht bereits 6:1 für den FC Bay-
ern, als sich der Stuttgarter Ibise-
vic den Ball auf der linken Seite
ein Stück zu weit vorlegt. Jérôme
Boateng läuft hinzu und schlägt
den Ball sehr aggressiv mit voller
Wucht über die nur zwei Meter
entfernte Seitenlinie. Dann stößt
er heftig in der Luft mit Ibisevic
zusammen. Beide stürzen zu
Boden, Boateng kommt etwas
schneller wieder auf die Füße
hoch und beugt sich – statt weg-
zugehen – provozierend zu Ibise-
vic hin
(
Foto 6a).
Als der Stuttgar-
ter aufgestanden ist, stößt er Boa-
teng die rechte Schulter gegen
den Oberkörper, auch die Köpfe
berühren sich kurz
(
Foto 6b).
Boateng taumelt zwei, drei Schritte
rückwärts, kommt aber nicht zu
Fall. Ibisevic breitet „unschuldig“
die Arme aus, als Schiedsrichter
Thorsten Kinhöfer zum „Tatort“
läuft.
Er bestraft Boateng als den Auslö-
ser des Vorfalls zu Recht mit
Gelb“, Ibisevic für seine Körper-
Attacke mit „Rot“. Ob letztendlich
ein klarer „Treffer“ erfolgt ist oder
nicht, ist nicht entscheidend. Die
Aktion war eindeutig gegen den
Gegner gerichtet, und auch der
Versuch einer Tätlichkeit ist straf-
bar.
Die Abfolge der Szene war für den
Schiedsrichter nicht einfach zu
erkennen, da sie sich in Sekunden-
schnelle abspielte und das Spie-
lerverhalten durchaus von einer
gewissen Theatralik begleitet
wurde. Merke: Auch bei klarem
Spielstand kann es immer zu einer
plötzlichen Auseinandersetzung
kommen. Der Grund kann zum Bei-
spiel eine persönliche Fehde sein,
die sich im Laufe des Spiels durch
gegenseitige (verbale) Provokatio-
nen entwickelt hat und nun plötz-
lich zum Ausbruch kommt. Das ist
vom Spielstand unabhängig.
2.
LIGA, 4. SPIELTAG
SC Paderborn – FC Ingolstadt
Eine knifflige Entscheidung hatte
der Schiedsrichter in diesem
Zweitligaspiel zu treffen.
Der Ingolstädter Marino Biliskov
wehrt am Torraum den Ball ab. Die-
ser fliegt zu seinem nur zwei Meter
entfernt stehenden Mannschafts-
kollegen Pascal Groß, der ihn aber
nicht unter Kontrolle bringen
kann. Stattdessen prallt der Ball
Arm- und Körpereinsatz, aber kein Foul. So sieht es auch …
Schiedsrichter Aytekin aus seiner günstigen Position.
Jérôme Boateng spricht auf Ibisevic ein. Der Stuttgarter …
revanchiert sich daraufhin mit einer Körperattacke.
Foto 5a
Foto 5b
Foto 6a
Foto 6b