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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Herbert Fandel ist seit zwei Jahren Vorsitzender der DFB-
Schiedsrichter-Kommission.
Wir wollen weiter Stein auf
Am Ende eines Spieljahres ist es Zeit, Bilanz zu ziehen und nach vorn zu schauen. In Berlin führten Lutz
Endspiels das Saison-Interview mit Herbert Fandel, dem Vorsitzenden der DFB-Schiedsrichter-Kommiss
Interview
S
RZ: Herr Fandel, wenn Sie die
Leistungen der Top-Schieds-
richter im abgelaufenen Spieljahr
auf einer Skala von eins bis zehn
einordnen sollten, wie sähe da
die Einschätzung der DFB-
Schiedsrichter-Kommission aus?
Herbert Fandel:
Auf einem Beob-
achtungsbogen würde ich insge-
samt gesehen eine 8,5 geben.
Während die Vorrunde noch eher
durchwachsen war, haben wir eine
exzellente Rückrunde gesehen. Da
gab es nur ganz wenige Einzel-Ent-
scheidungen, die wir im Nachhin-
ein noch einmal analysieren muss-
ten.
Als wir uns genau vor einem Jahr
zum Saison-Interview trafen,
äußerten Sie den Wunsch, sich
möglichst auf die rein fachliche
Arbeit konzentrieren zu können.
Sind Sie diesem Ziel näher
gekommen?
Fandel:
Ja, denn wir haben die
Professionalisierung in fachlicher
sowie in personeller Hinsicht deut-
lich vorangetrieben. So haben wir
beispielsweise ein voll funktionsfä-
higes Videoportal für unsere Spit-
zen-Schiedsrichter geschaffen, auf
dessen Grundlage die individuelle
Betreuung der Schiedsrichter nach
ihren Spielen enorme Fortschritte
gemacht hat. Davon konnten gerade
die jüngeren Unparteiischen profi-
tieren. Sie haben ihre Leistungen
erkennbar gesteigert.
Wie genau sieht dieses individuelle
Coaching in der Praxis aus?
Fandel:
Es bedeutet zunächst, dass
jeder Schiedsrichter seinen eige-
nen Coach hat, der sich intensiv
mit dessen Leistungen befasst.
Jedes Spiel, das der Schiedsrichter
leitet, wird von diesem Coach ana-
lysiert und anschließend gemein-
sam besprochen. Alles, was der
Schiedsrichter auf dem Platz
macht – ob positiv oder negativ –
kommt dabei auf den Tisch. Auf
seiner eigenen, nur für ihn einge-
richteten Seite kann der Schieds-
richter im DFB-Videoportal nach-
schauen, welche Situationen seine
Beobachter als besonders bemer-
kenswert eingeschätzt haben. Sie
sind gestaffelt nach Themenberei-
chen wie Handspiel, Foulspiel oder
Außenwirkung. So hat der Schieds-
richter jederzeit Zugriff auf alle
wichtigen Szenen, die in seinen
Beobachtungsbögen aufgeführt
sind.
Wo besteht für die Zukunft noch
weiteres Entwicklungs-Potenzial
bei den Spitzen-Schiedsrichtern?
Eher im körperlichen oder auch
im mentalen Bereich?
Fandel:
Wir haben eine große Leis-
tungsdichte, das sehen wir anhand
der Beobachtungs-Ergebnisse in
dieser Saison. Der Abstand vom
Punktbesten zu den hinteren Rän-
gen ist viel geringer als das vor
Jahren noch der Fall war. Aber
Spitzen-Schiedsrichter ist nicht
gleich Spitzen-Schiedsrichter. Es
gibt eine Gruppe mit sehr erfahre-
nen Schiedsrichtern, bei denen es
um Kleinigkeiten geht, zum Bei-
spiel im Bereich der Körperspra-
che. Auf der anderen Seite wächst
der Druck auf alle Bundesliga-
Schiedsrichter, die Anforderungen
sind gestiegen. Daher müssen wir
auch im mentalen Bereich mit den
Schiedsrichtern arbeiten. Wichtig
ist dabei, dass wir als Schiedsrich-
ter-Kommission bereits heute Tag
und Nacht für die Schiedsrichter
erreichbar sind, und es in unseren
vertrauensvollen Gesprächen kei-
nerlei Tabu-Themen gibt.
Welche Rolle spielt die Lebens-
und auch die Berufserfahrung für
die Leistung eines Top-Schieds-
richters?
Fandel:
Diese Berufserfahrung
spielt aus meiner Sicht eine größere
Rolle als man dies derzeit interna-
tional anerkennt. Wir legen Wert
darauf, gestandene Persönlichkei-
ten im Spitzenbereich einzusetzen.