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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
manchen Internet-Usern aus den
genannten Gründen leider die
Hemmschwelle.
Was kann man dagegen tun?
Auf seriösen Plattformen, auch in
unserem Verlag, gibt es natürlich
Mechanismen. Da werden zum Bei-
spiel bestimmte Begriffe und
Schimpfwörter gar nicht gepostet.
Außerdem kontrollieren die Redak-
teure regelmäßig die Einträge auf
Beleidigungen oder Ähnliches.
Allerdings schützt das nicht zu 100
Prozent vor harter, scharfer Kritik.
Wir haben schließlich Meinungs-
freiheit, und das finde ich auch
gut. Und riesige, globale soziale
Netzwerke sind nicht ständig und
zeitnah zu kontrollieren. Das muss
jedem User klar sein.
FIFA-Schiedsrichter Wolfgang Stark
sagte kürzlich in einem Interview
der taz, dass er gar nicht auf Face-
book guckt, daher könne ihn das
auch nicht belasten.
Das ist sicherlich eine Möglichkeit.
Als Schiedsrichter braucht man
schon ein dickes Fell – wie alle Men-
schen, die entscheiden müssen.
Und wenn es um partielle, verein-
zelte Kritik geht, dann ist es meis-
tens am besten, gar nicht darauf zu
reagieren. Wenn man da auch noch
anfängt, zu antworten oder Gegen-
darstellungen zu schreiben, dann
schaukelt sich das im Netz nur
hoch, so sind meine Erfahrungen
aus der Praxis. Allerdings muss man
sich auch nicht alles gefallen las-
sen.
Was schlagen Sie vor – speziell
für die Schiedsrichter?
Wenn es um Beleidigungen, Bedro-
hungen, üble Nachrede oder Ähnli-
ches geht, dann sollte man mit
allen Mitteln dagegen vorgehen.
Ich stelle im Internet immer wie-
der fest, dass es doch ziemlich
schlimme Einträge oder gar ganze
virtuelle Gruppen gegen Schieds-
richter gibt. In solchen Fällen emp-
fehle ich, schnell und direkt Kon-
takt mit der entsprechenden Platt-
form aufzunehmen, damit solche
Einträge verschwinden. Denn es
muss nach außen hin klar und
deutlich werden, dass ein solcher
Missbrauch des Netzes und der
Meinungsfreiheit nicht geduldet
wird. Sofern noch nicht geschehen,
könnte man beim DFB dafür einen
zentralen Ansprechpartner benen-
nen – auch, um betroffene Schieds-
richter zu unterstützen. Wenn es
hart auf hart kommt, dann emp-
fehle ich darüber hinaus, rechtlich
gegen die entsprechende Platt-
form und die Urheber der Einträge
vorzugehen, sofern man sie identi-
fizieren kann.
Was empfehlen Sie Schiedsrich-
tern, wenn sie sich im Netz
bewegen?
Sie sollten sich bewusst sein, dass
sie immer, zu jeder Zeit Schieds-
richter sind – nicht nur am Spiel-
tag. Das merken die Schiedsrichter
ja auch tagtäglich, wenn sie zum
Beispiel von Bekannten und
Freunden zu bestimmten Ent-
scheidungen gefragt werden, die
im Fernsehen zu sehen waren.
Genauso verantwortungsvoll soll-
ten sich die Unparteiischen im
Netz bewegen.
Was bedeutet das konkret?
Schiedsrichter sollten Postings
rund um Spielaufträge meiner Mei-
nung nach generell vermeiden. Da
kann es nur zu Missverständnissen
Sportchef Bernd Klingebiel machte seine Fußballerfahrungen
als Torwart in der 4. Liga.
Auch Trainer wie hier der beim HSV entlassene Michael
Oenning werden im Internet attackiert.
Facebook - auch in Fußballkreisen eine Massenbewegung.
bei Spielern und Trainern kommen.
Kritik an Vereinen ist absolut tabu.
Schiedsrichter sind objektiv und
neutral – sie entscheiden gemäß
den Regeln. Als Personen mit Ver-
antwortung sollten die Unpartei-
ischen auch darauf achten, mit
welchen Einträgen und Fotos sie
im Netz auftauchen.
Das kann auch bei Bewerbungen
hinderlich sein, wenn der künftige
Arbeitgeber solche Bilder findet.
Richtig. Das Internet vergisst nicht –
was einmal drin war, bleibt drin.
Und es wäre für die Akzeptanz
nicht sehr hilfreich, wenn vor
einem wichtigen Spiel irgendwel-
che Partyfotos des Schiedsrichters
auftauchen. Im Übrigen finde ich
gut, dass der DFB insbesondere
jüngere Schiedsrichter für das
Internet und die sozialen Netzwerke
sensibilisieren will. Denn wenn
man das Netz professionell und
verantwortungsvoll nutzt, dann
bietet es Riesen-Chancen für die
Fußball-Schiedsrichter. Einen letz-
ten Tipp habe ich noch. Unpartei-
ische sollten sich für ihre Kommu-
nikation möglichst in geschlosse-
nen Benutzergruppen bewegen
und bei den klassischen Themen
bleiben: Lehrarbeit, Aus- und Fort-
bildung, Termine, Schiedsrichter-
Werbung. Wenn es mal Stress nach
einem Spiel gibt, dann gehört das
nicht ins Netz, sondern dafür gibt’s
das gute alte Telefon, mit dem man
den Obmann anruft.